Der dunkle Spiegel
sehr hübsch aus in ihrem Festtagsgewand, und Werner, der an ihrer Seite saß, unterhielt sich angeregt mit ihr. Helgart strahlte vor mütterlichem Stolz und beteiligte sich ebenfalls rege an den Gesprächen um sie herum. Natürlich war das Verhalten des Erzbischofs und der Schöffen eines der wichtigsten Themen. Welche Beschränkungen der unselige Streit dem Handel auferlegte und welche Maßnahmen die Händler selbst ergriffen hatten, um sie entweder zu umgehen oder ohne Gewinneinbußen einzuhalten, all das wurde diskutiert. Alle, die sich hier bei de Lipa versammelt hatten, standen auf der Seite der Stadt und ihres Rates.
»Und doch hat der Erzbischof Wein geliefert bekommen. Guten Burgunder, wie Ihr ihn selbst heute ausschenkt!«, sagte jemand zu de Lipa.
»Aber nicht von mir geliefert. Er mag andere Quellen haben!«
»Seid Ihr sicher, Hermann? Ihr seid der Einzige hier, der im großen Umfang aus dem Burgunderland Weine bezieht.«
De Lipa hatte schon einige Becher dieses schweren Getränks zu sich genommen und brauste auf. Frau Dietke an seiner Seite legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm und flüsterte ihm etwas zu. Dann sagte sie laut: »Im großen Umfang zwar, aber auch Herr Wingartener handelt mit Burgunderwein.«
Der Erwähnte, ein eher unbedeutender Händler, war nicht eingeladen und konnte nichts zu seiner Verteidigung sagen.
»Dann ist er es wohl auch, der diese gepantschte Brühe in Umlauf gebracht hat?«, warf der Quälgeist ein, und Magda schüttelte erbost den Kopf. Sie flüsterte Almut zu: »Was hat denn der Hardefust für einen Groll gegen de Lipa. Will er unbedingt Streit vom Zaun brechen?«
»Das sieht beinah so aus. Seht, wie rot unser Gastgeber geworden ist. Er schäumt vor Wut. Er hat sich vor Jahren einmal um Hardefustens Tochter beworben und ist abgelehnt worden. Vielleicht ist da der Streit entstanden.«
»Ich habe es überhaupt nicht nötig, gepantschte Weine zu verkaufen!«, sagte de Lipa gerade mit knirschenden Zähnen. Denn wieder versuchte Frau Dietke, ihn zur Mäßigung zu bewegen, und redete beschwichtigend auf ihn ein.
»Ihr vielleicht nicht, aber vielleicht hat Euer verstorbener Adlatus, dieser Jean aus Burgund, einen schwunghaften Handel damit betrieben…«
De Lipa war jetzt nicht mehr rot im Gesicht, sondern wurde blass. Er stand auf, wie um eine heftige Erwiderung von sich zu geben, aber als er den Mund öffnete, entrang sich ihm nur ein ersticktes Gurgeln. Er presste die rechte Hand an die Brust und stürzte mit dem Gesicht voraus auf den Tisch. Gläser fielen klirrend zu Boden und zerbarsten, Platten rutschten, und Gebäckstücke flogen umher. Dietke schrie gellend auf und versuchte, ihren Mann aufzurichten. Die meisten Gäste aber blickten wie betäubt auf die Szene. Magda fasste sich schneller als die anderen. Sie stand auf und eilte um den Tisch.
»Habt Ihr einen Arzt hier, Frau Dietke?«
»Arzt? Nein.«
»Dann schickt nach einem. Mädchen, komm her!«
Sie winkte einer Magd, die fassungslos auf den leblosen Mann starrte, und gab ihr den Auftrag, einen Arzt oder den Bader zu holen. Diese zögerte, doch inzwischen hatte Rudger sich den Weg durch die Gäste gebahnt und schickte sie mit einem heftigen Stoß in Richtung Tür.
»Hebt ihn auf und bringt ihn zu Bett. Es wird sein Herz sein. Er braucht mehr Luft.«
Magda gab klare Anordnungen, während Dietke stumm und hilflos de Lipas Hand hielt.
»Waltruth, Ihr verabschiedet am besten die Gäste.«
Die junge Braut wirkte verstört, doch sie nickte. Ihre Mutter Helgart stellte sich an ihre Seite, und beide begannen, höflich, aber bestimmt, die Gäste zum Gehen zu bewegen.
Rudger hatte inzwischen den schweren Mann aufgerichtet, und mit zwei Helfern trugen sie ihn so sanft wie möglich aus dem Raum. Dietke folgte ihnen, blass wie ein frisch gebleichtes Leintuch.
Langsam leerte sich das Haus, die tuschelnden, murmelnden Stimmen verstummten, die Diener begannen, die Unordnung zu beseitigen. Nur Waltruth, ihre Mutter und Werner, ihr Verlobter, blieben zurück und natürlich Magda, die sich zu Almut gesellte.
»Wie entsetzlich das ist«, flüsterte das junge Mädchen und verlor dann die Haltung. Schluchzend legte sie den Kopf an Frau Helgarts Schulter. Werner stand hilflos daneben und wusste nicht, was er mit seiner Braut anfangen sollte. So war es Magda, die den Arzt begrüßte und die Magd anwies, ihn zu de Lipas Zimmer zu bringen.
Almut hatte sich ganz still verhalten und sich nicht weiter eingemischt. Doch
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