Der dunkle Spiegel
Ich war’s zufrieden, aber dann kam Jean, und er rückte an die erste Stelle. Nie habe ich ihm seither etwas recht gemacht, er hat noch nicht einmal mehr das Bett mit mir geteilt. Ich habe alles getan, um ihm eine gute Frau zu sein und ihm bei seinen Plänen zu helfen. Ich liebe ihn, aber er blieb kühl und entfernte sich immer mehr. Und nun ist er krank, vielleicht stirbt er. Er regt sich so leicht auf. Und Jean ist schuld daran. Ich bin froh, dass er tot ist, aber ich habe ihn nicht getötet.«
»Er war beinahe gesund und starb dann plötzlich, Frau Dietke. Woran?«
»Ich weiß es nicht! Ich weiß es nicht!«
Sie versuchte jetzt, sich loszuwinden, aber Almut fasste etwas fester zu, und sie stöhnte unter dem harten Griff.
»Ihr habt ihn gehasst, und Ihr habt die Arznei verdünnt. Warum soll ich glauben, dass Ihr ihn nicht getötet habt?«
»Ich habe falsch gehandelt, ich habe gelogen. Ich habe die Medizin selbst genommen, um schlafen zu können. Als der Dominikaner kam, hatte ich Angst, dass er mich beschuldigt, weil das Fläschchen bei mir stand. Deshalb habe ich etwas Wein hineingegossen. Ich bin keine Mörderin. So glaubt mir doch! Ich habe ihn nicht umgebracht! Gerade Ihr müsst das doch verstehen. Ihr wurdet doch auch zu Unrecht beschuldigt!«
Almut seufzte und ließ ihre Arme los. Ob das die Wahrheit war oder nicht, sie würde aus der aufgelösten Dietke nichts anderes mehr herausbekommen.
»Kommt, wascht Euch das Gesicht und geht dann zu Eurem Mann. Vielleicht geht es ihm schon wieder besser.«
»Ihr glaubt mir?«
»Mir bleibt nichts anderes übrig. Im Augenblick, Frau Dietke.«
Äußerst nachdenklich verließ Almut den Raum und suchte Magda, um sich auf den Heimweg zu machen.
21. Kapitel
Es war ein wenig schwierig gewesen, Tilmann ausfindig zu machen, aber Bruder Johannes gelang es schließlich doch. Er hatte offiziell Anklage gegen ihn erhoben, und in Begleitung zweier Schergen fing er ihn ab, als er das Haus eines stadtbekannten Geldverleihers verließ. Aus dem darauf folgenden Akt körperlicher Gewalt hielt er sich wohlweislich heraus und überließ diesen Teil der Abwicklung den dazu besser gerüsteten Häschern. Bruder Johannes übernahm den Gefangenen erst, als er halbwegs gezähmt im Turm saß. Hier fand er einen angeschlagenen, aber nichtsdestoweniger trotzig leugnenden Angeklagten vor, der zunächst schlichtweg abstritt, überhaupt einen Jean de Champol zu kennen, und erst recht nicht zugab, ihn ermordet zu haben. Bruder Johannes bedauerte es, nicht zu den schärferen Mitteln des Verhörs greifen zu können, aber der Scharfrichter weigerte sich, von einem anderen als dem Greven Rembodo Scherfgin Weisungen entgegenzunehmen. Schon gar nicht von einem Inquisitor. Und der Scherfgin hielt sich mitsamt den Schöffen beim Erzbischof auf. Doch hilflos war der Dominikaner nicht. Er malte Tilmann ein paar schaurige Bilder der Hölle und ihrer Strafen aus, die einen weniger Standhaften schon nach kurzer Zeit in die Knie gezwungen hätten. Tilmann aber blieb kühl und gelassen. Mit einem nachlässigen Schulterzucken gab er allerdings zu: »Es mag möglich sein, dass mir dieser Burgunder in der Schenke begegnet ist. Wahrscheinlich habe ich sogar ein- oder zweimal Worte mit ihm gewechselt. Aber ich wusste bis heute nichts von seinem Tod. Ich war bis zum Donnerstag nicht in der Stadt.«
Das hatte der Bruder Cellerar schon bestätigt, doch Bruder Johannes war überzeugt von der Schuld seines Opfers und drängte mögliche Zweifel mannhaft zurück. Es gelang ihm durch unwiderlegbare Argumente, Tilmann zu dem Eingeständnis zu bringen, dass er nicht nur einige Worte, sondern ganze Sätze mit Jean gewechselt hatte, und er erfuhr auch deren ungefähren Inhalt.
»So habt Ihr den jungen Mann überreden können, den besonders guten Wein nur an Eure Kunden zu liefern. Welche Kunden, Tilmann?«
Der Gefangene lachte leise und lehnte sich auf seiner harten Pritsche zurück.
»Das erfahrt Ihr nicht von mir!«
»Das werden wir noch sehen! Womit habt Ihr den Jean de Champol«, Bruder Johannes spuckte den Namen förmlich aus, »denn dazu überredet?«
»Auch das erfahrt Ihr nicht von mir. Der Junge ist tot. Also lasst ihn ruhen. Und mich lasst Ihr jetzt besser auch in Ruhe.«
»Wenn ich gehe, wird das eine lange Ruhe für Euch werden!«, erwiderte der Inquisitor giftig. »Bis die Gerichte wieder tagen, kann viel Zeit vergehen. Und ich werde dafür sorgen, dass Euch hier niemand besucht.«
»Tut Euer Bestes,
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