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Der dunkle Spiegel

Titel: Der dunkle Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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die Gelegenheit dazu hätte. Vielleicht kann mir meine Schwester…«
    »Begine! Ihr werdet nichts dergleichen unternehmen.«
    »Werdet Ihr es tun?«
    »Um Eure unersättliche Neugier zu befriedigen – ja. Ich werde es zumindest versuchen. Mag sein, dass mir Tilmann im Austausch für seine beschleunigte Freilassung mehr verrät als dem Dominikaner, der seine Gefangenschaft gerne verlängern würde.«
    »Schön!«
    »Nein, schön ist es nicht.«
    Die Glocken von St. Kunibert riefen zur Non, und Pater Ivo stand auf.
    »Ich bin etwas pflichtvergessen in den letzten Tagen, Begine. Arbeit und Gebet sind viel zu kurz gekommen. Und auch Ihr werdet andere Aufgaben zu erledigen haben, als müßig am Wasser zu sitzen.«
    »Waren wir müßig, Pater? Trine war es vielleicht. Seht, wie friedlich sie schlummert.«
    Trine hatte sich in den Schatten der Mauer zurückgezogen und war in einen tiefen Schlaf gefallen. Almut weckte sie durch vorsichtiges Schütteln an ihrer Schulter. Sie blinzelte zunächst, dann erkannte sie Almut und auch den großen, schwarzen Schatten, der hinter ihr stand. Mit einer schläfrigen Bewegung rieb sie sich die Augen und stand langsam auf. Kritisch ließ sie die Augen zwischen Almut und dem Pater hin und her wandern, um zu prüfen, wie sich die Stimmung entwickelt hatte. Sie schien nichts Bedrohliches wahrzunehmen und legte nur den Kopf ein wenig schief, während sie den Benediktiner misstrauisch musterte. Dann zupfte sie an Almuts Ärmel und deutete auf ihn.
    »Pater Ivo, ich glaube, ich muss Trine etwas von Euch erklären.«
    »Von mir? Nun, was denn?«
    »Dass sie trotz Eures grimmigen Gebarens keine Angst vor Euch haben muss.«
    »Werft Ihr mir vor, dass ich mich verstelle?«, grollte der Benediktiner.
    »Nein, aber es ist, so scheint es mir, Eure Angewohnheit, Eure Gefühle zu verstecken.«
    »So unterstellt Ihr mir sogar noch Gefühle!«
    Almut sah ihm in die Augen, die grau und kühl auf ihr ruhten.
    »Auch unter einer hornhäutigen Seele mag einst ein guter Mensch gesteckt haben, Pater.«
    »Einst, Begine, steckte ein herzloser Mensch darunter.«
    »Doch irgendwo habt Ihr inzwischen ein Herz erworben. Darf ich es Trine zeigen? Erlaubt Ihr es?«
    »Wenn Ihr glaubt, dass da etwas zu finden ist… Eure Kunst der Verständigung mit ihr beherrsche ich nicht. Aber bitte, Ihr habt die Erlaubnis.«
    Almut nickte Trine zu und wies mit der Hand auf Pater Ivo, der aufmerksam wartete, was geschehen würde. Es war nicht viel. Sie führte Trine zu ihm, bis sie direkt vor ihm stand. Das Mädchen reichte ihm kaum bis zur Brust und musste den Kopf in den Nacken legen, um zu ihm aufzusehen. Almut nahm Trines Hand und legte sie ihm auf das Herz. Das taubstumme Kind ließ sie eine Weile dort liegen, und ihr Gesicht nahm einen seltsam lauschenden Ausdruck an, als spräche in der stummen Welt ihres Inneren eine Stimme mit ihr. Dann löste sie die Hand und drehte sich zu Almut um. Sie machte das Zeichen, das für sie etwas Gutes bedeutete und das bislang immer in Verbindung mit etwas Nahrhaftem gestanden hatte.
    »Gütiger Gott, will sie mein Herz essen?«
    »Nein, Pater Ivo. Sie will mir sagen, dass Ihr ein gutes Herz habt. Trine spürt so etwas.«
    Und dann, mit einem leisen Lächeln, zeigte Trine Almut noch etwas. Aber die Kenntnis über das heftige Herzklopfen, das das Mädchen während seiner Prüfung bei dem Mönch verspürt hatte, übersetzte die Begine ihm nicht.
    »Ein gutes Herz! Wenn Ihr Euch da nur nicht täuscht!«, murmelte er und zog die Kapuze über den Kopf, um sein Gesicht zu beschatten.
    Er begleitete sie zurück zum Konvent, wenn auch schweigend und in Gedanken versunken. An der Pforte verabschiedete er sich von Almut jedoch mit den Worten: »Ich will sehen, dass ich so schnell wie möglich Zutritt zu Tilmann finde. Unternehmt nichts in der Zwischenzeit, Begine. Ich berichte Euch, sowie ich etwas erreicht habe.«
    »Einverstanden. Ach, und könntet Ihr mir nicht doch noch eine Frage beantworten, Pater Ivo. Eine ganz einfache?«
    Er seufzte nur zustimmend.
    »Wer ist Sophia?«
    »Meister Krudener mag seine Fehler und Schwächen haben, ein guter Menschenkenner war er schon immer. Sophia ist die Weisheit.«
    »Oh, mh…!« Jetzt war es an Almut, verlegen an ihrem Gebände zu zupfen. Doch dann fielen ihr die Worte und der unfreundliche Blick wieder ein, mit denen Krudener auf Pater Ivo reagiert hatte, und sie sagte: »Wenn er ein so guter Menschenkenner ist, wie Ihr sagt, hätte er dann nicht auch Euch

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