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Der dunkle Spiegel

Titel: Der dunkle Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Ivos Gesicht vertieften sich die Linien, die auf vergangene Bitterkeit deuteten.
    »Ich bin mir nicht so sicher, ob Ihr da Recht habt, Meister Krudener. Hier, Pater Ivo. Nehmt diese süße Frucht, die mir angeboten wurde. Die Unhöflichkeit des Apothekers soll nicht Euch benachteiligen.«
    »Lasst nur, Begine. Ich bin kein Kind mehr.«
    »Ach ja, Pater, gewiss. Wie Paulus sagt: ›…als ich aber Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war.‹«
    »Und aus der Heiligen Schrift kann sie auch zitieren! Und wie überaus passend, dieses Zitat, nicht wahr, Pater Ivo. Was Ihr einst sagtet, war geredet wie ein Kind, gedacht wie ein Kind und klug wie ein Kind!« Entsetzt starrte Almut den Apotheker an, dessen hohe, heisere Stimme vor Gift troff. »Jetzt wisst Ihr es besser, nicht wahr,
Pater
Ivo?« Den Titel Pater sprach er aus, dass es wie eine Ohrfeige klang. Aber dann wurde seine Stimme wieder sanfter, und er sah Almut mit einem schiefen Lächeln an. »Frau Almut, seid getrost, Pater Ivo braucht nichts zu seinem Seelenheil!«
    »Jede Seele bedarf der Heilung«, sagte Almut und reichte Pater Ivo eine kandierte Dattel so, dass er nicht anders konnte, als sie ihr abzunehmen. Er nahm sie mit einem leisen Lächeln und sagte: »Ihr habt der meinen einmal vorgeworfen, mit Hornhaut bedeckt zu sein, erinnert Ihr Euch?«
    »Tat sie das?« Krudener musterte Almut voller Anerkennung. »Dann wüsste ich noch einen anderen Namen für Euch. Ihr solltet Sophia heißen.« Und dann fügte er, etwas nachdenklich, hinzu: »Aber auch der Titel Mutter stünde Euch gut an. Wer weiß, vielleicht wird die Zukunft ihn Euch verleihen. Aber auf eine Art, die Ihr nicht erwartet.«
    Er gab ihr und Trine ein weiteres Stück Zuckerwerk, schenkte seinen Besuchern nur noch ein kurzes Nicken und verschwand in den Tiefen seines Hauses.
    »Ich habe den Eindruck, dass Meister Krudener und Ihr Euch schon einmal begegnet seid.«
    »So, habt Ihr den? Dann vergesst diesen Eindruck ganz schnell wieder.«
    »Na gut. Aber warum will er mich Sophia nennen?«
    »Stellt nicht so viele Fragen!«
    »Warum seid Ihr so verschnupft?«
    »Warum, warum, warum? Seid endlich ruhig und lasst mich nachdenken!«
    Almut schwieg, während sie in recht schnellem Tempo durch die Schildergasse Richtung Rhein gingen. Trine musste sogar laufen, um mit ihnen Schritt zu halten.
    Sie waren schon auf der Straße zum Eigelstein angelangt, als ihnen eine Gruppe staubbedeckter Reisender entgegenkam, die von dreien der eifrigen Päckelchesträger geführt wurde. Unter ihnen befand sich auch Pitter, der wortgewandt auf die Schönheiten Kölns aufmerksam machte. Als er jedoch Almuts ansichtig wurde, brach er seine Erläuterungen zu einschlägigen Badestuben und Schenken ab und kam auf sie zu.
    »Frau Begine, ich suchte Euch!«
    »Wirklich, Pitter?«
    »Ja, denn ich habe eine Botschaft für Euch, von der maurischen…« Er schlug sich die Hand vor den Mund und sah den Priester in seiner schwarzen Kutte an, der immer noch finster dreinblickte.
    »Du hast eine Botschaft von Aziza, wolltest du sagen.«
    »Äh ja. Kann ich Euch alleine sprechen?«
    »Pater Ivo, wollt Ihr uns bitte entschuldigen?«
    »Nein. Sprich, Pitter, was hast du zu sagen?«
    »Stör dich nicht an ihm. Es ist ihm nur eine Laus in Stiefeln über die Leber gelaufen!«, sagte Almut, ein wenig verbittert. Pitter zögerte und wollte schon wieder loslaufen, um seine Gruppe einzuholen, aber Pater Ivo hielt ihn fest.
    »Na los, Junge. Sag, was du zu sagen hast. Ich weiß, wer Aziza ist.«
    »Ach ja, Priester?«
    »Los, du Frechdachs. Was lässt meine Schwester mir ausrichten?«
    »Na gut, wenn Ihr meint. Sie sagt, Tilmann ist im Turm. Der Dominikaner hat den Weinhändler dazu gebracht, Anklage gegen ihn zu erheben, wegen dem Schäng. Und jetzt will er ihn verhören.«
    »Ist das alles?«
    »Ja. Ihr wüsstet schon, was das bedeutet, sagt Aziza. Wer ist der Schäng?«
    »Das ist nicht wichtig für dich. Pitter, komm morgen früh vorbei, ich will sehen, was sich in der Küche für dich findet. Aber jetzt lauf!«
    »Klar!«
    Er gönnte Pater Ivo noch einen abschätzigen Blick und rannte dann so schnell los, dass sich kleine Staubwirbel hinter ihm herzogen.
    »Was mag das zu bedeuten haben?«, fragte Almut mehr sich selbst, aber zu ihrer Überraschung antwortete Pater Ivo ihr wieder.
    »Dass sich der Dominikaner bis auf die Knochen blamieren wird.«
    »Glaubt nur nicht, dass mich das besonders traurig stimmt! Aber ich wage natürlich nicht, Euch

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