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Der dunkle Spiegel

Titel: Der dunkle Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Warum?«
    »Weil er etwas über Jean weiß. Wir drehen uns im Kreis, Begine.«
    »Vielleicht. Lasst mich nachdenken. Da ist so ein Fädchen, das ich fassen möchte.«
    Almut hob einen flachen Stein auf und ließ ihn nach Jungenart über das Wasser hüpfen. Weitere Steine folgten in gleicher Meisterschaft, dann drehte sie sich plötzlich abrupt um.
    »Warum seid Ihr so sicher, dass Bruder Johannes sich mit Tilmann blamiert?«
    »Ihr seid sehr geschickt im Steinewerfen, Begine. Eine Fertigkeit, die ansonsten nur die Knaben entwickeln.«
    »Meine Kindheit war ein wenig rau, Pater. Ich verbrachte meine Zeit nicht mit Näharbeiten. Aber was hat das mit meiner Frage zu tun?«
    »Es hat etwas damit zu tun. Ich denke, Ihr seid in Eurem Leben der Wirklichkeit nahe genug gekommen, um verschiedene Dinge im richtigen Licht zu sehen.«
    »Ja, doch, die Erkenntnis, dass unsere Welt fehlerhaft ist, ist mir nicht fremd. Guter Himmel, was wollt Ihr mir schonend beibringen?«
    »Dass auch die Diener der Kirche nicht ganz ohne die Anfechtungen des Fleisches leben können.«
    »Ach nein? Und Ihr glaubt, damit verratet Ihr mir ein Geheimnis?«
    »Offensichtlich nicht, wie mir scheint.«
    »Nein, Pater. Und ich schließe aus Euren Worten, dass unser Tilmann ein klerikaler Ausrutscher ist. Er muss ein hochrangiges Fehltrittchen sein, sonst wäre es nicht so wichtig. Lasst mich überlegen – unser derzeitiger Erzbischof ist zu jung, um sein Vater zu sein. Aber da wären noch Engelbert von der Mark, der seinerzeit so lebhaft gegen die Konkubinenwirtschaft der Klerikalen gewettert hat – oder gar der gute, alte Wilhelm von Gennep selbst? Er muss allerdings schon recht betagt gewesen sein, als er das Kind zeugte. Ah, nein, völlig falsch geschlossen. Pater, der edle Kuno von Trier, der auch seinen Neffen Friedrich mit achtzehn schon auf den Bischofsstuhl gehoben hat und sich während der Vakanz so selbstlos als Administrator von Köln eingesetzt hat. Er wird sich sicher auch um seinen leiblichen Sohn kümmern, wenn der in Schwierigkeiten steckt. Oder?«
    »Gut, dass Frauen nicht als Inquisitoren berufen werden können. Das war eine scharfsinnige Ableitung. Ihr habt Recht, Tilmann ist der Sohn Kunos, des Erzbischofs von Trier. Und damit ein Vetter unseres derzeitigen Erzbischofs Friedrich.«
    »Was auch seine innige Freundschaft mit ihm erklärt und die Weinlieferungen.«
    »Richtig.«
    »Nur wird Friedrich ihm derzeit nicht viel helfen können. Sein Einfluss in Köln, insbesondere der auf die Gerichtsbarkeit, ist gering.«
    »Derzeit nicht vorhanden, würde ich annehmen. Aber da ist noch Trier!«
    »Dazu muss Tilmann aber eine Nachricht an den Erzbischof schicken. Andererseits – er könnte Bruder Johannes ja auch einfach sagen, dass er protegiert wird.«
    »Der würde es kaum glauben.«
    »Gibt es denn nur so wenige, die seine Herkunft bezeugen können?«
    »Es gibt nur wenige, und die befinden sich beim Erzbischof in Bonn. Auf jeden Fall, denke ich, wird Tilmann eine unangenehm lange Zeit im Kerker verbringen.«
    »Und was immer es ist, womit er Jean in der Hand hatte, dabei irgendwann dem Dominikaner verraten.«
    »Wenn er es nicht schon getan hat.«
    »Warum hätte er das tun sollen, wenn er davon ausgeht, bald wieder auf freiem Fuß zu sein?«
    »Wenn er es ihm erzählt, wird Bruder Johannes Gebrauch davon machen.«
    »Eine entsetzliche Vorstellung. Aber, Pater Ivo – was wäre denn, wenn Tilmann es Euch verriete?«
    »Aus welchem Grund sollte er das tun?«
    »Nun, weil Ihr derjenige seid, der erstens von seiner Herkunft weiß und sich zweitens in der Lage befindet, zumindest Erzbischof Friedrich zu informieren oder dazu zu bewegen, einen Boten nach Trier zu senden. Etwas, das Tilmanns weltliche Freunde derzeit nicht so ohne weiteres können.«
    »Ihr unterstellt mir große Fähigkeiten, Begine. Ich bin nur ein einfacher Mönch, der keinerlei Gewicht bei den Oberen der Kirche hat.«
    »Natürlich. Und daneben seid Ihr ein geweihter Priester, der bestimmt Zutritt zu einem armen Gefangenen bekommt. Abgesehen davon seid Ihr Ivo vom Spiegel, was auf einen gewissen Einfluss hier und da schließen lässt. Ganz weltfremd seid auch Ihr nicht.«
    Das erste Mal, seit sie Krudeners Apotheke verlassen hatten, huschte wieder der Anflug eines Lächelns um Pater Ivos Augen.
    »Ihr wollt mich zu einer Erpressung anstiften?«
    »Um eine andere Erpressung aufzudecken und den Mörder Eures Schützlings zu entlarven. Ich würde es selber tun, wenn ich

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