Der dunkle Thron
Güte meines Herzens – denn ich sehe nicht, dass aus dieser Sache auch nur ein Penny für mich herausspringt –, also wirst du mir gefälligst Höflichkeit erweisen, sonst landest du mit einem Tritt in den Arsch in der Themse.« Er schenkte Nick ein strahlendes Lächeln. »Klar?«
In seinem scheinbar so leutseligen Lächeln lag etwas, das viel gefährlicher war als Master Durhams Missfallen. In den wasserblauen Augen des Königs der Diebe war ein stählernes Schimmern, das man inmitten der Lachfältchen und der apfelrunden Wangen leicht übersah. »Habt Ihr einen Namen, Sir?«, fragte der junge Waringham.
»Bartholomew Kestrel.« Er hob ihm den Becher entgegen. »Zu Diensten, Mylord.«
Nick ging über den spöttischen Tonfall hinweg. »Master Kestrel. Ich bin Euch dankbar für Eure Hilfe, und es liegt mir fern, Euch zu beleidigen. Aber was ich Master Durham vorzutragen habe, ist eine sehr persönliche und delikate Angelegenheit, die für Euch von keinerlei Interesse ist. Im Übrigen, Sir, bin ich kein Bübchen, und ein Bad in der Themse hatte ich gestern schon, darum schreckt es mich nicht sonderlich.«
Kestrel lachte in sich hinein, aber er blieb unnachgiebig. »Ob Eure Angelegenheiten für mich von Interesse sind, beurteile ich selbst. Ihr seid nicht der einzige, dem die neue Königin und das Thronfolgegesetz ein Dorn im Fleisch sind. Die Londoner Diebe stehen treu zu Königin Catalina und Prinzessin Mary.«
»Ich bin sicher, das ist den königlichen Hoheiten ein großer Trost.«
Verblüffend schnell für einen korpulenten Mann schoss der König der Diebe aus seinem Sessel hoch, ließ seinen kostbaren Pokal achtlos zu Boden fallen und machte einen Satz auf Nick zu. Der entging der zuschlagenden Faust, indem er den Kopf zur Seite bog. Gleichzeitig riss er den linken Arm hoch, um die keulengleiche Pranke abzulenken, und trat einen Schritt zurück. Im selben Moment zogen sie die Messer und starrten sich reglos an.
»Gentlemen«, sagte Nathaniel Durham gelangweilt. »Können wir diesen Teil vielleicht überspringen? Ich habe wahrhaftig Besseres zu tun, als mir hier das Imponiergehabe eines alten Gockels und eines Hähnchens anzusehen.«
Kestrel senkte die Waffe und klopfte Nick grinsend die Schulter. »Der Pfeffersack hat recht, Büb… Mylord. Ihr seid übrigens gut für einen adligen Grünschnabel.« Er warf seine Klinge achtlos auf den Tisch.
»Heißen Dank«, knurrte Nick und legte das Messer ebenfalls beiseite. Strohkopf, Bübchen, Hähnchen , dachte er verdrossen. Ein wenig erschüttert kam er zu dem Schluss, dass einem allerhand zugemutet wurde, wenn man plötzlich über Nacht seine Stellung verloren hatte.
»Setzt Euch, setzt Euch!«, lud Kestrel ihn mit einer weit ausholenden Geste ein. Er angelte seinen Pokal aus den Binsen am Boden, holte zwei weitere von einem Wandbord und schenkte ein.
Master Durham setzte sich in den zweiten Sessel, Nick auf den mit Kissen gepolsterten Fenstersitz. Der Laden war geschlossen, sodass der Blick auf den Fluss versperrt war, aber Nick hörte sein unverwechselbares Rauschen und das Grölen betrunkener Nachtschwärmer.
Der König der Diebe drückte ihm einen Becher in die Hand. »Hier, trinkt.«
Nick hatte mit Starkbier gerechnet. Tatsächlich war es ein hervorragender Burgunder. Es wird Zeit, dass ich meine Vorurteile überdenke, dachte er. Dann schaute er von Kestrel zu Durham. »Habt Ihr irgendetwas über Thomas More gehört, Sir?«
»Das gleiche wie Ihr, schätze ich. Erzbischof Cranmer hat mit Engelszungen auf ihn eingeredet, den Eid auf die neue Thronfolge zu schwören, und als Sir Thomas sich immer noch weigerte, hat man ihn in den Tower gebracht.«
»Wurde Anklage erhoben?«
»Noch nicht.«
»Sie werden ihre liebe Mühe haben, ihn zu verurteilen, wenn sie ihn vor Gericht stellen und er sich selbst verteidigt«, prophezeite Nick.
»Das denke ich auch«, antwortete Durham mit unverhohlener Befriedigung. »Es gibt keinen Rechtsgelehrten in England, der ihm das Wasser reichen könnte.« Er trank einen kleinen Schluck und stellte den Becher dann auf den intarsienverzierten Tisch. »Also, Mylord. Die Nacht vergeht. Was ist es, das Ihr von mir wünscht?«
»Es sind drei Dinge, um genau zu sein«, erwiderte Nick. »Ich muss verschwinden. Ich weiß noch nicht genau, wohin ich gehen werde«, log er. »Ich habe Verwandte in Wales, im Norden und in der Bretagne und einen Cousin, der zur See fährt. Irgendwo werde ich schon Unterschlupf finden.« Er
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