Der dunkle Thron
ich ihm die Dienste meiner eigenen bescheidenen Quellen angeboten.« Kestrel lächelte beinah ein wenig verträumt. Dann sah er Nick wieder an, und sein Lächeln wurde geschäftsmäßig. »Also? Soll ich ein Treffen für Euch arrangieren?«
»Ich wäre sehr dankbar, Master Kestrel«, gestand Nick.
Kestrel schlug sich mit beiden Händen auf die Oberschenkel, um anzudeuten, dass die Unterredung zum Ende gekommen war. »Abgemacht. Ich bring Euch morgen Abend zu ihm, und bis dahin seid Ihr mein Gast. Seht Ihr, wie gut es war, dass ich hiergeblieben bin und Euer geheimes Gespräch gehört habe? Nun finde auch ich mich in der glücklichen Lage, Euch einen Dienst erweisen zu können.« Er stand auf, reckte sich ausgiebig und ging hinaus.
Nick schaute ihm voller Argwohn nach und blickte dann fragend zu Master Durham.
Der verzog spöttisch, beinah amüsiert den Mund. »Wie es scheint, will er Euch an Chapuys verkaufen. Aber nehmt es nicht gar zu schwer. Ihr bekommt letztlich, was Ihr wollt. Und Ihr werdet feststellen, dass die Küche in diesem Haus fabelhaft ist.« Er wurde wieder ernst, sah dem jungen Mann einen Moment in die Augen und reichte ihm abermals die Hand. »Gott schütze Euch, Mylord. Es war eine Dummheit, den Eid zu verweigern, aber ich weiß, Euer Vater wäre stolz auf Euch.«
Nick schlug ein. »Habt Dank, Master Durham. Für alles.«
Der wandte sich mit einem Nicken zur Tür. Über die Schulter sagte er noch: »Ihr solltet auf gar keinen Fall versuchen, dieses Haus ohne Kestrels Erlaubnis zu verlassen.«
»Warum nicht?«
»Es ist sein Hauptquartier und seine Diebesschule. Wer weiß, wo es zu finden ist, muss ein Mitglied seiner Bruderschaft werden oder sterben.«
»Wieso lebt Ihr dann noch?«, fragte Nick die sich schließende Tür.
Doch er bekam keine Antwort.
Vermutlich gab es keinen sichereren Platz in London, um sich vor Cromwell zu verstecken, als die Festung des Königs der Diebe, von der jeder Londoner wusste, dass sie in Billingsgate lag, aber niemand konnte sagen, wo genau, denn sie verbarg sich hinter irgendeiner harmlosen Front, einem Wirtshaus vielleicht oder einem Fischlager.
Nick befolgte Master Durhams Rat. Er blieb in der kleinen, aber halbwegs sauberen Kammer, zu der eine sehr bunt bemalte Hure ihn geführt hatte, und vertilgte die tatsächlich hervorragenden Speckbohnen, die sie ihm brachte, mit Heißhunger.
»Kann ich sonst noch was für dich tun, Goldlöckchen?«, fragte sie.
Goldlöckchen ? Das wird ja immer besser … »Nein«, knurrte er.
»Sicher?« Ihr Lächeln enthüllte zwei Zahnlücken.
Nick wies auf seine einfachen, geflickten Gewänder. »Seh ich aus, als könnte ich mir so was leisten?«
»Du siehst nicht so aus, aber du redest so«, gab sie zurück. »Du bist nicht der erste Gentleman, der verkleidet in diesen Teil der Stadt kommt, um mal eine richtig wilde Nacht zu erleben.«
Nick schob sich einen Löffel Bohnen in den Mund und warf ihr einen finsteren Blick zu. »Vielleicht bist du mir eine Spur zu wild, Herzchen«, erwiderte er kauend. »Und jetzt sei so gut und verschwinde.« Er stützte die Ellbogen auf den Tisch und aß geräuschvoll weiter. Es wurde wirklich höchste Zeit, dass er übte, sich wie ein Bauer zu benehmen, wenn er schon nicht wie einer reden konnte.
Achselzuckend ließ die Hure ihn allein, und als die Tür sich geschlossen hatte, hörte Nick den Riegel rasseln.
Nach Einbruch der Dunkelheit am nächsten Abend kam der kleine, drahtige Kerl, der ihn bei Vater Anthony abgeholt hatte, und verband ihm wieder die Augen. Nick verließ die berüchtigte Räuberhöhle, ohne den Hausherrn noch einmal wiederzusehen, wurde aufs Neue auf ein Fuhrwerk verfrachtet, dieses Mal unter Tierhäuten versteckt, kreuz und quer durch die Stadt kutschiert und dann in ein Boot verladen, das sich wie ein Wherry anfühlte und ihn flussabwärts brachte.
Als er schließlich an Land geführt wurde, streifte er sich selbst die Augenbinde ab und schaute zurück. Der Wherryman hatte bereits wieder abgelegt, und die Laterne am Bug war dunkel. Nick befand sich offenbar ein gutes Stück außerhalb der Stadt auf einem hölzernen Anlegesteg am Essex-Ufer. Ein schmaler Pfad führte zu einem kleinen Gutshaus. Weil er nicht wusste, was er sonst hätte tun sollen, schlug Nick diesen Weg ein, und noch ehe er das Haus erreichte, öffnete der Gesandte Seiner kaiserlichen Majestät ihm höchstpersönlich die Tür.
»Waringham!«, grüßte er mit einem Stoßseufzer. »Ich bin ja so
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