Der dunkle Thron
verschwinde.«
Nick machte sicherheitshalber einen linkischen kleinen Diener, wandte sich ab und betrat den Stall.
Zwei junge Burschen, von denen einer in seinem Alter, der andere vielleicht dreizehn war, waren mit Schubkarren und Mistgabeln bei der Arbeit.
Der Ältere ruckte großspurig das Kinn in Nicks Richtung. »Und du bist?«
»Tamkin. Der Neue.« Er wählte einen neutralen Tonfall, nicht herausfordernd, aber auch nicht unterwürfig.
»Ich bin Carl. Der Bengel da heißt Mickey.«
Nick grüßte Mickey mit einem knappen Nicken und streckte Carl die Hand entgegen, um ihnen zu bedeuten, dass er ihre Hierarchie anerkannte. Zufrieden schlug Carl ein.
Natürlich beobachteten Carl und Mickey ihn, als Nick die Box des ersten der beiden Andalusier betrat. Es war ein feingliedriger, perfekt proportionierter Schimmel, der die kleinen Ohren anlegte und nervös wieherte, als er den Fremden in seiner Nähe spürte. Er schlug nach hinten aus, aber Nick wich den Hufen ohne große Mühe aus, zwängte sich zwischen den Pferdeleib und die Boxenwand und murmelte beruhigend. Der verängstigte junge Hengst wurde ruhiger, lauschte mit zuckenden Ohren, und als er sich an Nicks Stimme gewöhnt hatte, hörte er auf zu stampfen. Nick ging noch einen Schritt weiter nach vorn, redete weiter und vermied ruckartige Bewegungen. Nach einer Weile legte er die Hand auf den Hals mit dem glänzenden Fell, strich sacht darüber und ließ den beruhigenden Fluss seiner Worte nicht abbrechen. Es wäre einfacher gewesen, er hätte dem Tier den Arm um den Hals legen und die Stirn mit der seinen berühren können, denn das verfehlte seine Wirkung niemals, doch er fürchtete, einer der Stallburschen würde die Geste als das erkennen, was alle Pferdenarren in England »Waringham-Zauber« nannten. Es ging indes auch so. Sacht blies er dem Schimmel in die Nüstern, und nach wenigen Minuten hatte das Tier sich weit genug beruhigt, dass es anfing zu fressen. Nick konnte die Box ausmisten, ohne blaue Flecken oder Schlimmeres zu riskieren.
»Junge, Junge«, sagte Carl, als sie nebeneinander mit der Schubkarre zum Misthaufen fuhren. »Du weißt, was du tust.«
Das wollen wir doch hoffen, dachte Nick.
Der Haushalt der kleinen Prinzessin Elizabeth umfasste rund drei Dutzend Personen, seit ihre große Schwester Mary im vergangenen Winter hergezogen war. Lady Shelton, die oberste königliche Gouvernante, und ihr Gemahl, der Chamberlain, führten ein strenges Regiment über die zum Haushalt gehörigen Damen, Mägde, Pagen und Priester, die von einer Schar königlicher Leibwächter unter Führung eines gewissen Lord Ashby behütet wurden. Hatfield war ein überschaubarer Palast auf dem Land, rund zwanzig Meilen nördlich von London in Hertfordshire gelegen und geradezu bescheiden für König Henrys Verhältnisse. Er stand ein wenig außerhalb des Dorfes zwischen bewaldeten Hügeln und weitläufigen Schafweiden, umgeben von einem kunstvoll angelegten Park.
Für den vergleichsweise kleinen Haushalt standen zwanzig Pferde zur Verfügung, die von den Wachen benutzt wurden und gelegentlich von den Damen, wenn diese mit Lord Ashby und dem Chamberlain zur Falkenjagd ritten. Alle Pferde mussten zu jeder Zeit in untadeligem Zustand sein, weil man nicht vorhersagen konnte, wann nach ihnen verlangt wurde. Und da das so gut wie nie geschah, mussten sie auch regelmäßig bewegt werden. Das war zu viel Arbeit für drei Stallburschen, doch Sir Jeremy – der viel zu fein war, um selbst mit Hand anzulegen – hatte eine unfehlbare Methode, sie zu Höchstleistungen anzuspornen: Wann immer irgendeine Arbeit nicht zu seiner Zufriedenheit erledigt worden war, bekam der Übeltäter seine Reitgerte zu spüren, ohne die er offenbar keinen Schritt tat. Das sorgte für ein hohes Maß an Gewissenhaftigkeit, stellte Nick mit einer Mischung aus Erstaunen und grimmiger Belustigung fest, und er hoffte, dass er eines Tages Gelegenheit bekommen würde, seinen Stallburschen zu Hause in Waringham davon zu erzählen, damit den arbeitsscheuen Halunken endlich einmal klar wurde, wie gut sie es hatten …
Der lange, warme Frühlingstag neigte sich dem Ende zu, als Sir Jeremy sie zu seiner allabendlichen Inspektion heimsuchte. Carl bekam zwei Streiche mit der Gerte, weil sich im Schweif eines seiner Schützlinge ein Strohhalm fand. Der Stallknecht nahm es stoisch. Mickey bekam fünf, weil er versäumt hatte, Lady Sheltons Stute die Hufe einzufetten, und dann noch einmal fünf, weil er heulte
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