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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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bei dir, und die Nacht leuchtet wie der Tag«, murmelte er aus dem Gedächtnis vor sich hin, während er in die stille, dämmrige Kapelle trat.
    »Schändlich«, kommentierte Prinzessin Mary abfällig, die links vor dem Altar auf einer kleinen Gebetsbank kniete. Ihre Stirn war gerunzelt, aber sie lächelte.
    Nick trat näher, verneigte sich wie üblich vor ihr und gestand: »Ich bin nicht sicher. Rätselhaft bleiben die Psalmen allemal, aber sie kommen mir unmittelbarer vor in meiner eigenen Sprache. Eindringlicher und ehrlicher. Von schöner ganz zu schweigen.«
    »Mylord …« Ihr Lächeln war verschwunden, und in ihren Augen stand Sorge. »Es ist wirklich ketzerisch, was Ihr da redet.«
    Er nickte zerknirscht. »Man kann wohl kaum erwarten, dass der Einfluss meines Vaters spurlos an mir vorübergegangen ist, Hoheit. Ich fürchte, in der Frage der Bibelübersetzung bin ich mit den Reformern eines Sinnes: Jeder Mann und jede Frau sollten das Recht haben, Gottes Wort selbst zu lesen.«
    »Es steht jedem Mann und jeder Frau frei, Latein oder Griechisch zu lernen«, gab sie spitz zurück und kam graziös auf die Füße. »Wie habt Ihr von diesem Geheimgang erfahren?«
    Er war dankbar, dass sie offenbar nicht weiter über Religion mit ihm streiten wollte, denn dazu hatten sie keine Zeit. »Wir haben einen neuen Verbündeten an diesem Hof. Einer meiner zahlreichen walisischen Cousins hat sich genau wie ich als Stallknecht hier eingeschlichen, und er ist ein viel besserer Spion als ich. Er hat es herausgefunden.«
    Mary wies zu einem Alkoven an der rechten Mauer. »Vermutlich wäre es das Beste, wir gingen in den Beichtstuhl, nicht wahr? Falls jemand hereinkommt.«
    Nick hob die Hand zu einer abwehrenden Geste und sah gleichzeitig nervös zur Tür der Kapelle. Die Prinzessin hatte natürlich recht, aber er wollte vor ihr stehen, während er ihr sagte, wozu er hergekommen war. »Es dauert nur einen Augenblick«, versicherte er, und dann wusste er nicht, wie er fortfahren sollte.
    »Also?«, ermunterte sie ihn, und unbewusst straffte sie die Schultern. Vermutlich war seiner Miene anzusehen, dass seine Neuigkeiten unerfreulich waren.
    Nick gab sich einen Ruck. »Thomas Cromwell war heute früh hier.«
    »Vaters Sekretär? Woher wisst Ihr das?«
    »Ich habe ihn gehört. Ihn und Lord Shelton. Sie haben sich hier in der Kapelle getroffen.« Nick zwang seinen Kopf hoch und sah Mary in die Augen. »Cromwell hat verlangt, dass Lord Shelton Euch zwingt, den Eid zu schwören, Hoheit. Und für den Fall, dass Shelton keinen Erfolg hat, hat Cromwell angedeutet, dass er … dass er …«
    »Mich ermorden lassen wird?«
    Nick schluckte trocken und nickte. »Wir müssen Euch hier herausbringen. Ihr müsst fliehen. Es ist die einzige Möglichkeit.«
    Für einen kleinen Moment legte die Prinzessin die schmale, lilienweiße Hand auf seinen Unterarm, so vertraut wie früher. Dann verschränkte sie die Finger ineinander, stützte das Kinn auf die Daumen und dachte nach. »Aber wie?«, fragte sie schließlich. »Ihr wisst doch, ich werde Tag und Nacht bewacht.«
    Nick ruckte den Daumen über die Schulter Richtung Altar. »Durch den Geheimgang. Morgen Abend nach der Vesper. Ich erwarte Euch am anderen Ende mit zwei schnellen Pferden.«
    »Und dann? Chapuys ist auf dem Kontinent. Wie soll ich ohne seine Hilfe aus England herauskommen?«
    »Ich bringe Euch nach London und verstecke Euch an einem sicheren Ort, bis Chapuys zurück ist.«
    Er würde sie zu Anthony Pargeter bringen, dem Pfarrer in Southwark, der ihn aus der Themse gefischt hatte. Vater Anthony würde ihm gewiss wieder helfen, Kontakt zum König der Diebe herzustellen. Bartholomew Kestrel würde ihm vermutlich die Kehle durchschneiden oder einen ruinösen Preis verlangen oder beides, wenn Nick ihn bat, solch brandgefährliche lebende Schmuggelware in seiner Diebesschule zu verstecken. Und die Prinzessin würde schockiert sein, wenn er sie in solch einen Sündenpfuhl brachte. Aber es half alles nichts, denn eine bessere Lösung fiel ihm einfach nicht ein.
    »Dann schaffen wir Euch über den Kanal in die kaiserlichen Niederlande, und seid Ihr einmal dort, kann selbst Cromwell Euch nicht mehr erreichen, denn Euer Cousin, der Kaiser, wird seine schützende Hand über Euch halten.«
    Sie nickte versonnen, aber ihr Blick war voller Zweifel. »Und was wird aus meiner Mutter?«
    »Eure Mutter wäre die Erste, die darauf dringen würde, Euch in Sicherheit zu bringen.«
    »Doch wenn Cromwell

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