Der dunkle Thron
Anstellung gewesen war, hatte ihr nicht helfen können, denn gegen die Entscheidung ihres Mannes war sie natürlich machtlos. Und das Letzte, was Polly wollte, war, ihrer Mutter Kummer zu machen. Darum hatte sie gelogen, als diese sie rundheraus gefragt hatte, ob ›der verdammte unheilige Pfaffe‹ anständig zu ihr sei.
»Es ging nicht anders, Eleanor«, raunte Polly ihrer Tochter zu, die wieder auf sie zugetrippelt kam. »Sie wär mit dem Reisigbesen auf ihn losgegangen, und er hätte sie büßen lassen. Aber wahrscheinlich ist trotzdem diese Lüge der Grund, warum Gott mich jetzt so bestraft. Das säh ihm jedenfalls ähnlich …«
»Was redest du dem armen Kind da vor, um Himmels willen?«
Pollys Kopf fuhr herum. »Nur die Wahrheit, Mylord«, versicherte sie ernst. »Gott hat für uns Frauen nicht viel übrig, und das kann unsere Eleanor gar nicht früh genug lernen.«
»Ich habe dir schon hundertmal gesagt, du sollst mich hier nicht so nennen«, knurrte Nick und kniete sich neben sie ins Gras.
»Bist du eigens gekommen, um mich mit Vorhaltungen zu überschütten, oder hattest du sonst noch etwas auf dem Herzen?«, konterte sie.
Es dauerte einen Moment, ehe er antwortete. Und dann überraschte er sie mit dem Bekenntnis: »Ich bin gekommen, um mich zu entschuldigen. Was ich gestern Abend zu dir gesagt habe, war im Zorn gesprochen, und ich weiß, dass meine Vorwürfe unberechtigt waren. Es tut mir leid.«
Sie hob den Kopf. Sie hatte sich so gewünscht, er möge zu dieser Einsicht gelangen, aber jetzt waren ihr seine Worte kein Trost. Sie klangen zu förmlich, und die Mühe, die sie ihn kosteten, war nicht zu übersehen.
Sie nickte. »Warum bist du nicht bei der Arbeit?«, fragte sie dann, um das Thema zu wechseln. »Kriegst du keine Schwierigkeiten?«
Nick zog eine Braue in die Höhe. Sie liebte es, wenn er das tat; es war ein Ausdruck, der Spott und Heiterkeit zu gleichen Teilen ausdrückte, und sie musste sich immer zusammennehmen, um nicht die Lippen auf diese feingeschwungene, erhobene Braue zu pressen.
»Das Gleiche könnte ich dich fragen«, konterte er.
»Ich habe heute Morgen frei. Prinzessin Elizabeth wird allmählich abgestillt, darum werden die Dienste der Ammen nicht mehr so oft beansprucht.« Sie sah, dass er sich fragte, ob sie vielleicht nächste Woche aus den Diensten der kleinen Prinzessin entlassen würde und er sie völlig umsonst geheiratet hatte. Darum fügte sie hinzu: »Lady Shelton hat gesagt, sie will mich behalten, wenn der Vater meines Balgs eine anständige Frau aus mir macht. Die kleine Elizabeth hängt so an unserer Eleanor. Genau wie umgekehrt. Darum soll ich als Amme bleiben, auch wenn die Prinzessin keine Milch mehr braucht.«
»Verstehe.« Er streckte Eleanor die große, feingliedrige Linke entgegen. »Komm her, Krümelchen. Sieh mal, was ich hier für dich habe.«
Während Eleanor auf ihn zustapfte, zauberte er eine von Vater Davids Birnen zum Vorschein, zog das unscheinbare Messer mit dem abgegriffenen Schaft und der mörderisch scharfen Klinge aus der Hülle am Gürtel und begann, die Frucht in Stücke zu schneiden. Süßer, klebriger Saft lief ihm über die Finger.
Eleanor ließ sich vor ihm ins Gras fallen, sah ihm konzentriert zu und sperrte den Mund auf wie ein Küken, als er ihr das erste Stück hinhielt.
Er lachte, steckte es ihr zwischen die Lippen und fuhr ihr sacht mit der Hand über den daunenweichen Blondschopf. Aber auf den Schoß nahm er sie nicht.
Das zweite Stück reichte er Polly. »Wenn du dienstfrei hast, denkst du, du könntest dich zu Lady Mary schleichen? Ich habe eine Nachricht für sie.«
Polly ging ein Licht auf. Deswegen war er also gekommen und hatte sich entschuldigt. »Ich kann’s versuchen«, gab sie achselzuckend zurück. »Gib den Brief.«
Er schüttelte den Kopf. »Richte ihr nur aus, sie soll nach der Vesper in der Kapelle bleiben. Ich treffe sie dort.«
»Wie willst du das anstellen?«
»Es gibt einen Geheimgang von der Kirche im Dorf geradewegs in die Kapelle des Palastes.«
»Sie werden dich erwischen, Nick. Und dann töten sie dich.«
»Fang nicht immer wieder damit an«, wies er sie unwirsch zurecht. Er verfütterte das nächste Birnenstückchen an Eleanor, aber Polly merkte, dass es ihn drängte, diesem vertrauten Familienidyll schnellstmöglich wieder zu entfliehen.
»Wir bekommen eine eigene Kate«, eröffnete sie ihm unvermittelt.
»Was?«, fragte er zerstreut, in Gedanken offenbar meilenweit fort.
»Weil wir
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