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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Erde zu bringen, weil die Familie zu arm ist, ihm seine Sixpence dafür zu zahlen. Gestern hat er sich plötzlich besonnen. Aber erst, nachdem Gregs Schwester die Nacht bei ihm verbracht hat.«
    »Was?« Nick stellte sein Bier ab und sah ihn entsetzt an.
    Daniel verzog den Mund zu einer verächtlichen Grimasse und winkte ab. »Hier passieren noch ganz andere Sachen, Mann.«
    Nick schwieg einen Moment betroffen und fragte dann: »Weiß mein Vater von diesen Dingen?«
    Der junge Stallmeister nickte. »Und er hat ein paarmal versucht, Vater Ranulf ins Gewissen zu reden. Aber der beruft sich darauf, dass er nur die Rechte der Kirche wahrnimmt, und dein Vater sagt, er kann nichts gegen ihn unternehmen.«
    Das verstand Nick nicht so recht. »Aber Vater Ranulf untersteht der Weisung des Erzbischofs, der ein hochanständiger Mann ist. Solche Dinge passieren todsicher nicht mit seiner Duldung.«
    »Nein, aber der Erzbischof ist alt und krank. Außerdem hat unser famoser Vater Ranulf einen Studienfreund, welcher ein Diakon des Lord Chancellor ist. Darum fühlt er sich unverwundbar.«
    Nick pfiff leise vor sich hin. »Das ist er dann ja wohl auch.«
    Kardinal Wolsey – der Lord Chancellor – war der mächtigste Mann in England, denn er genoss das uneingeschränkte Vertrauen des Königs, der ihm die Regierungsgeschäfte vollständig überließ. Und es galt als ausgesprochen ungesund, dem Kardinal oder seinen Prälaten unangenehm aufzufallen. Nick spülte einen Bissen des altbackenen Brotes mit einem Schluck Bier hinunter und dachte bedrückt, dass es schlimmer um Waringham stand, als er geahnt hatte.
    Daniel steckte sich den letzten Schinkenhappen in den Mund und stand auf. »Komm. Wir haben zwanzig Gäule zu bewegen. Es wird ein verdammtes Schlammbad werden, und sie werden biestig und unausstehlich sein. Ich würde das gern hinter mich bringen.«
    Biestig und unausstehlich waren die jungen Pferde in der Tat. Einer der Zweijährigen ließ es sich nicht nehmen, seinen Huf zweimal auf Nicks Fuß zu stellen, während der ihn striegelte, und als Nick eine junge Stute longierte, war sie genau so lange lammfromm, wie es dauerte, ihn in Sicherheit zu wiegen. Dann brach sie aus, riss ihn von den Füßen, und Nick landete bäuchlings im Morast. Carl und Jocelyn, die beiden Stallknechte, mussten natürlich in genau diesem Moment aus der Futterscheune kommen. »Sauwetter oder nicht«, bemerkte Carl, nachdem er die Stute eingefangen hatte. »Ich hab lange nicht so viel Spaß bei der Arbeit gehabt, Lord Nick.«
    »Das ist beglückend zu hören«, knurrte Nick, sah an sich hinab und brach dann selbst in Gelächter aus.
    Müde, nass und hungrig kam er am Nachmittag nach Hause und fühlte eine Art von Zufriedenheit, die er fast vergessen hatte. Mit einem leisen Lachen dachte er an die freche kleine Stute, und dann ging ihm auf, dass ihm von den Sachen in seiner Kleidertruhe vermutlich nichts mehr passen würde. Ein wenig ratlos fragte er sich, was er zum Essen anziehen sollte, und schlich auf leisen Sohlen an der Halle vorbei. Aber es nützte ihm nichts.
    Sumpfhexe hatte offenbar auf ihn gelauert. »Sei so gut und komm einen Moment herein, Nicholas.«
    Er stellte sich in den Türrahmen des behaglichen Wohngemachs mit den dunklen, edel geschnitzten Deckenbalken und den feinen Gemälden an den getäfelten Wänden. »Ich fürchte, ich würde die Fliesen schmutzig machen, Madam.«
    Lady Yolanda war allein. Sie saß mit einem kleinen Handstickrahmen am Tisch: eine vornehme Dame in den mittleren Jahren. Das Mieder des eleganten Kleides aus nachtblauem Samt war eng geschnürt, der eckige Ausschnitt mit den gleichen Perlen bestickt wie die passende Giebelhaube. Die dunklen Augen betrachteten ihn wie etwas, das Fühler und zu viele Beine hatte und gerade unter einem Stein hervorgekrabbelt war. »Du siehst aus, als hättest du die Schweine gehütet. Oder dich mit ihnen gesuhlt.«
    »Es ist schlammig dort draußen. Ich bin ausgeglitten.«
    »Wo hast du dich den ganzen Tag herumgetrieben?«
    »Ich wüsste nicht, dass ich Euch Rechenschaft schulde, Madam. Aber ich sag es Euch gern, da Ihr mit einem Mal in so fürsorglicher Weise Anteil an meinem Leben nehmt. Ich war in Waringham, um herauszufinden, wie es darum bestellt ist. Und sollte die Antwort Euch interessieren – was ich nicht glaube –, sie lautet: Beängstigend.«
    Röte stieg von ihrem Hals auf, und Nick beobachtete mit altbekannter Faszination, dass die Verfärbung der Haut Wangen und

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