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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Erpressungen, mit denen die Kirche den Menschen das Geld aus der Tasche zog, von Ablässen und Reliquienhandel und dergleichen mehr, immer unter der Androhung, dass denen, die nicht zahlen wollten, die längsten Qualen im Fegefeuer drohten, dessen Existenz diese Schmähschrift obendrein auch noch bestritt.
    Nick schlug das Herz bis zum Hals, als er die letzte Seite umblätterte. Er war so zerrissen zwischen seinem Entsetzen über diese Ketzerschrift und den Geboten der Höflichkeit, dass er überhaupt nicht wusste, was er sagen oder tun sollte.
    Langsam stand er auf, räusperte sich schon wieder und legte Simon Fishs Streitschrift in dessen ausgestreckte Hände. »Ich glaube, mein Vater hat recht, Sir. Es wäre klüger, das nicht zu veröffentlichen.«
    »Warum? Ist es unwahr?«
    »Die Leugnung des Fegefeuers ist eine Unwahrheit.«
    »Gelehrte, die klüger sind als Ihr und ich, behaupten das Gegenteil. Und was ist mit dem Rest? Mit den Verbrechermethoden der päpstlich legitimierten Blutsauger?«
    »Was sie tun, ist verwerflich. Sie müssen sich besinnen und zu ihrem Ursprung zurückkehren. Sie müssen sich … sie müssen sich der Lehre Christi erinnern und sie sich wieder zu eigen machen. Aber so werdet Ihr sie nicht bekehren.«
    »Warum nicht?«
    Nick antwortete nicht. Er warf seinem Vater einen flehenden Blick zu. Doch der erlöste ihn nicht, sondern vollführte eine auffordernde Geste. »Sprich ganz offen, Nick.«
    »Weil Ihr … weil Ihr anmaßend seid, Master Fish.«
    »Inwiefern?«
    »Ihr … Ihr glaubt, Ihr habet das Recht, den Heiligen Vater zu … zu verfemen.« Gott, immer fang ich an zu stammeln, wenn ich etwas Kluges sagen soll. »Ihr meint gar, Ihr habet das Recht, ihn zu richten. Aber nur in Demut … nur in Demut ist Weisheit, sagt Sir Thomas, und nur Demut ist der Weg … zur Erneuerung.«
    Simon Fish runzelte die Stirn. »Das sagt Sir Thomas More?«, fragte er.
    »Ja, Sir.«
    »Nun, in seiner Utopia klang es noch ganz anders.«
    Nick schüttelte den Kopf. »Das ist nicht wahr. Vermutlich habt Ihr hineingelesen, was Ihr dort finden wolltet. Und jetzt muss ich Euch bitten, mich zu entschuldigen.«
    »Was denn, Ihr kneift?«, rief Fish entrüstet.
    »Ja. Ich fürchte, das tu ich, Sir. Eure Worte sind zu radikal für mich, das Bild erst recht. Ich bin … zu schockiert, um darüber zu disputieren. Ich glaube, dass Ihr dafür in die Hölle kommen werdet – zu Recht, übrigens –, und darum graut mir.« Er wandte sich an seinen Vater. »Und du solltest dich nicht wundern, wenn du den Zorn Gottes über Waringham bringst. Weißt du denn wirklich nicht, wie gefährlich das ist, was du tust? Wozu es führen wird? Denkst du eigentlich jemals an jemand anderen als an dich?«
    Das Schuldbewusstsein, das er in der Miene seines Vaters las, machte ihn sprachlos. Mit einem unartikulierten Laut hilfloser Wut wandte Nick sich ab und rannte aus dem Rosengarten, als seien die Teufel der Hölle schon hinter ihm her.
    »Nick?«
    »Lass mich zufrieden.«
    »Mach die Tür auf, mein Junge. Ich habe mit dir zu reden.«
    »Ich hab genug gehört. Geh weg.«
    »Nicholas, ich rate dir, zwing mich nicht, diese Tür einzutreten. Ich würde mir vermutlich den Fuß dabei verstauchen, und das könnte dazu führen, dass ich unleidlich bin, wenn ich bei dir ankomme. Also?«
    Nick stand vom Bett auf, ging mit langen, wütenden Schritten zur Tür und zog den Riegel zurück. Nicht um den Knöchel seines Vater zu schonen, sondern weil er nicht wollte, dass das ganze Haus Zeuge dieser Szene wurde. Es war schon sehr spät. Mit etwas Glück schliefen alle.
    Zögerlich, so schien es, stieß Lord Waringham die Tür auf und trat über die Schwelle. Er trug eine Kerze in der Linken, einen Teller mit Brot in der Rechten. »Du musst hungrig sein.«
    Nick betrachtete seinen Vater mit verschränkten Armen. »Danke. Ich will nichts.« Er hoffte, sein Magen würde nicht knurren und ihn Lügen strafen. Es hatte ihn alle Selbstbeherrschung gekostet, derer er fähig war, dem Essen fernzubleiben, denn er hatte den ganzen Tag geschuftet und war ausgehungert.
    Jasper stellte die Kerze auf die Truhe unter dem Fenster, und der Lichtschein fiel auf das Gemälde an der Wand. Einen Moment betrachtete Lord Waringham das Bildnis, dann wandte er sich zu seinem Ältesten um und setzte sich auf die Bettkante. »Wirst du tun, worum deine Stiefmutter dich gebeten hat?«, fragte er unvermittelt. »Raymond unterrichten?«
    »Auf einmal habe ich doch eine Wahl?

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