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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Schlafraum des Gasthauses übernachtet und war heute früh vor Tau und Tag und vor allem ohne Frühstück von dort aufgebrochen. Er hatte auf dem langen Fußweg gebetet und gefastet, um aus der Lüge seiner eigenen Wallfahrt nach Canterbury wenigstens eine Halbwahrheit zu machen, aber seit dem Mittag knurrte sein Magen.
    Laura holte ein großes Holzbrett von der Anrichte an der Wand, auf dem Brot und Käse und eine Schale mit Kirschen standen, und schenkte ihm einen Becher Wein ein. »Hier, Bruder. Iss in Ruhe. Du bist furchtbar dürr.«
    Verwundert sah er an sich hinab, während er sich ein großzügiges Stück Brot abbrach. »Wirklich?«
    Sie nickte. »Geben sie den Stallknechten im Haushalt der kleinen Prinzessin etwa nicht genug zu essen?«
    »Doch, doch«, versicherte er kauend und schnitt sich einen Keil aus dem runden Käse. Es war ein deftiger Schafskäse aus Adams Molkerei. Die Frauen seiner Familie hüteten das Generationen alte Geheimrezept wie den Heiligen Gral, und einmal im Monat fuhr Adam mit einer Wagenladung voller Käse nach London und verdiente auf dem Markt in Cheapside ein Vermögen damit.
    Laura ließ ihren Bruder zufrieden und nahm die Näharbeit wieder zur Hand, während Nick Hunger und Durst stillte. Als er schließlich den letzten Bissen mit einem Schluck Wein herunterspülte und sich zurücklehnte, bemerkte sie: »Du warst in London bei der Hinrichtung, nehme ich an?«
    Er nickte. »Aber lass uns nicht davon sprechen«, bat er.
    »Wie du willst.«
    »Wo ist Philipp?«
    »Mit dem Reeve im Wirtshaus. Das kann noch ein Weilchen dauern. Sie haben immer viel zu besprechen in letzter Zeit.« Sie schien noch etwas hinzufügen zu wollen und tat es dann doch nicht.
    Ihr Zögern war Nick nicht entgangen, aber er bedrängte sie nicht. »Wie geht es dir?«, fragte er stattdessen und vollführte eine weit ausholende Geste, die ganz Waringham einschließen sollte. »Und Philipp und meinen Nichten und allen anderen?«
    »Es geht uns gut«, antwortete sie vorbehaltlos. »Besser als in London. Für Giselle und Judith ist es ein Segen, auf dem Land zu leben. Und ich habe das Stadtleben nie sonderlich gemocht, wenn ich ehrlich sein soll. Ich bin froh, wieder in Waringham zu sein.«
    »Ray ist auch hier, sagt Daniel?«
    »Drüben bei Sumpfhexe. Ich nehme an, sie ist froh, ihn für ein paar Wochen bei sich zu haben, denn ihr Leben muss oft einsam sein.«
    »Das bricht mir das Herz …«, knurrte Nick, und als ihre Blicke sich trafen, tauschten sie ein Verschwörerlächeln, genau wie früher.
    »Seine kleine Cousine, Katherine Howard, ist ebenfalls drüben zu Gast. Das heißt, so klein ist sie nun auch nicht mehr. Sie ist zwölf, genau wie Raymond, aber schon eine richtige junge Dame. Und sehr selbstbewusst. Um dir die Wahrheit zu sagen: Ich finde sie grässlich. Was bei einer Howard ja auch kaum anders zu erwarten war. Aber Ray ist hingerissen von ihr.«
    Nick erinnerte sich nur zu lebhaft an den Tag, da Sumpfhexes Bruder – Katherine Howards Vater – ihn zur Belustigung seiner Stiefmutter und -schwester zusammengeschlagen hatte. Schon damals hatte Raymond seiner Cousine zu Füßen gelegen. »Sicher gut für ihn, wenn er da drüben ein bisschen Gesellschaft hat. Ich nehme an, Sumpfhexe hält ihn von dir fern?«
    »Entweder das, oder er meidet mich aus eigenem Antrieb. Ich bin nicht sicher, was von beidem der Fall ist. Und es macht mich traurig. Er hat so an uns gehangen, als Vater noch lebte. An dir und mir, meine ich. Aber jetzt ist er nie anders als abweisend und kühl zu mir.«
    Nick war bekümmert, wenn auch nicht überrascht. »In seinen Augen bin ich ein Verräter, Laura. Und für ihn muss es so aussehen, als stecktest du mit mir unter einer Decke.«
    Sie hob trotzig das Kinn. »Was ja auch der Fall ist. Und jetzt bist du dran. Wie ist es dir ergangen? Wie geht es Prinzessin Mary?«
    Nick schenkte sich nach, trank einen kleinen Schluck und hielt den Blick auf seinen Becher gerichtet, während er Laura von Marys Dasein als Gefangene im Haushalt ihrer kleinen Schwester erzählte. Von den Schikanen, Demütigungen und systematischen Gehässigkeiten, die sie erdulden musste, der Sorge um Königin Catalina, die immer hinfälliger wurde und die Mary seit ihrer eigenen Krankheit im letzten Herbst trotzdem nicht mehr hatte sehen dürfen. Von den zunehmend massiven Drohungen, mit denen Lord Shelton sie bedrängte. »Und nicht nur er«, fügte Nick hinzu. »Cromwell war selbst zweimal bei ihr und hat ihr

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