Der dunkle Thron
ein wenig kläglich.
Nick trat vor ihm durch die Tür ins Innere des Turms und stieg die Treppe hinauf. »Aber wie ich höre, taugen die Uniformen hervorragend dazu, die Herzen der Damen zu erobern. Das ist ein Trost, oder?«
Jenkins lachte in sich hinein. »Da habt Ihr wohl recht …«
»Tust du mir einen Gefallen?«
»Sicher.«
»Besorg mir aus der Küche eine Schüssel warmes Wasser und borg mir ein Rasiermesser.«
»Oh, ich weiß nicht, Mylord. Ihr wisst ja, Sir William hat gesagt, keine Klingen …«
»Wenn ich die Absicht hätte, freiwillig aus dem Leben zu scheiden, denkst du nicht, ich hätte in all den Monaten einen Weg gefunden, es zu tun?«
»Doch.« Jenkins rang einen Moment mit sich und entschied dann: »Ich besorg das Wasser und schick Euch Sir Williams Burschen, der kann Euch rasieren.«
Nick schüttelte den Kopf. »Meine Börse ist leer. Ich kann ihn nicht bezahlen.«
Jenkins winkte ab und sperrte die Tür auf. »Vielleicht lest Ihr uns heute Abend noch mal ein Stück aus Eurer englischen Bibel vor? Das ist genug Lohn.«
Nick lächelte dankbar. »Lass dir Zeit in der Küche. Wärm dich ein bisschen auf, wie wär’s.«
Der Yeoman Warder nickte. »Klingt großartig.«
Nick betrat sein komfortables Verlies und stellte verblüfft fest, dass er einen Besucher hatte. »Nanu, Chapuys! Das ist eine unerwartete Überraschung.«
Der kaiserliche Gesandte erhob sich von dem Scherenstuhl und verneigte sich förmlich. »Mylord. Ihr seht weit besser aus, als ich zu hoffen gewagt hatte.«
»Der Schein trügt«, spöttelte Nick und lud ihn mit einer Geste ein, wieder Platz zu nehmen, ehe er sich ihm gegenübersetzte. »Wie war die Beerdigung?«
»Würdevoll, feierlich, einer Königin angemessen, und ganz Peterborough ist erschienen. Die Kirche platzte aus allen Nähten.«
»Gut«, befand Nick befriedigt. »Mary war nicht dort, nehme ich an?«
Chapuys schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht.«
»Habt Ihr irgendwelche Neuigkeiten von ihr gehört? Ist sie gesund? Hält sie durch?«
Chapuys deutete ein Achselzucken an. »Seit Eurer Verhaftung habe ich keinen Kontakt mehr zu ihr, aber ich habe eine neue Quelle gefunden, durch die ich gelegentlich Nachrichten von der Prinzessin höre.«
»Wen?«, fragte Nick neugierig.
»Dazu komme ich gleich. Natürlich trauert sie furchtbar um ihre Mutter. Aber sie ist beherrscht und tapfer und findet Trost in Gott, wie üblich. Im Übrigen könnte es sein, dass Ihr Martyrium bald ein Ende findet.«
Nick ließ ihn nicht aus den Augen. »Und weshalb seht Ihr dann nicht glücklicher aus? Was ist passiert?«
Chapuys schlug die Beine übereinander. »Vor zwei Tagen veranstaltete der König eine große Jagd in Greenwich, während in Peterborough seine rechtmäßige Gemahlin zu Grabe getragen wurde.«
»Ja, das habe ich gehört.«
»Und habt Ihr auch gehört, wie unmissverständlich Gott kundgetan hat, was er davon hielt?«
Nick spürte, wie sein Herzschlag sich beschleunigte. Er schüttelte den Kopf.
Chapuys neigte sich leicht vor. »Der König ritt ein Schlachtross – kein anderes Pferd kann ihn mehr tragen. Aber er hätte eigentlich nie aufsitzen dürfen. Euch muss ich nicht erzählen, wie viel Kraft und Geschick es erfordert, solch eine gewaltige Kreatur zu beherrschen. Doch Henrys Jugendtage sind vorüber, seine zunehmende Fettleibigkeit und vor allem das kranke Bein beeinträchtigen ihn. Er wollte indes wieder einmal auf niemanden hören. Norfolk hatte ihm das Pferd übrigens geschenkt, aber es wird gemunkelt, es stamme aus Eurer Zucht.«
»Denkt Ihr, Ihr kommt heute noch zur Sache, Sir? Hat der König sich den Hals gebrochen?«
»Nein, aber er ist schwer gestürzt und offenbar mit dem Kopf aufgeschlagen. Er war stundenlang bewusstlos.«
Nick verschränkte die Arme. »Tja, wie Ihr sagtet. Er hätte vielleicht nicht gerade an diesem Tag zur Jagd reiten sollen.«
Chapuys nickte. »Und das war noch nicht alles. Als Anne Boleyn von dem Jagdunfall hörte, erlitt sie einen schweren Schock, und keine halbe Stunde später wurde nach ihren Leibärzten geschickt. Aber es war zu spät. Sie hat das Kind verloren. Es kam tot zur Welt, sagt die Hebamme, viel zu winzig, um leben zu können, aber voll ausgebildet. Es war ein Prinz, Waringham.«
Nick wandte den Kopf ab, sah auf das Kruzifix, das über dem Tisch an der Wand hing, und bekreuzigte sich. »Möge Gott seine unschuldige Seele in Gnaden aufnehmen. Und mir vergeben, dass ich nichts als Schadenfreude ob
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