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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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sagen. Vermutlich hätte der es auch nicht geglaubt. Zumindest nicht wirklich verstanden. Denn es war alles im Verborgenen passiert, und Jasper hatte auch nie so genau hingeschaut, denn die Erziehung kleiner Kinder oblag nun einmal der Frau im Hause. Ungerechtigkeit ist eine der unabänderlichen Abscheulichkeiten des Lebens, so wie verregnete Sonntage. Du kannst dich hinsetzen und sie beweinen. Aber alles in allem fährst du besser, sie abzutun und einfach mit dem Nächstliegenden weiterzumachen. Das einzige, was du tun kannst, ist zu versuchen, selber gerechter zu sein. Nicht Sir Thomas More hatte ihn das gelehrt, sondern dessen Tochter, Lady Meg Roper. Und wie so vieles, was sie sagte, hatte es Nick beeindruckt.
    Er setzte sich neben seinem Vater aufs Bett. »Du wirfst mir vor, ich sei verantwortungslos. Aber was bist du denn? Du lässt ausgerechnet einen Mann wie Simon Fish herkommen und liest seine Ketzerschriften …«
    »Er ist kein Ketzer.«
    Nick legte die Hände auf die Knie und mahnte sich, nicht die Geduld zu verlieren. Er sah seinem Vater ins Gesicht. » Natürlich ist er das. Er rüttelt an den Grundfesten des Glaubens.«
    »Nein. An den Grundfesten der Kirche vielleicht.«
    »Schlimm genug. Und wenn du glaubst, was er glaubt, bist auch du ein Ketzer.«
    Sein Vater hob abwehrend die Hände. »Was ich glaube, ist eine Sache zwischen Gott und mir.«
    »Und doch ist, was du glaubst, allgemein bekannt, und inzwischen hat es sich offenbar bis London herumgesprochen, nicht wahr? Warum sonst hat Sir Thomas mir den Brief mitgegeben? Du bringst uns alle in Gefahr. Begreifst du das denn nicht?«
    »Nick …«
    »Nein. Ich will das nicht hören. Ich will nicht, dass du mich durcheinanderbringst und meinen Glauben erschütterst. Aber ich schlage dir ein Abkommen vor.«
    Jasper richtete sich auf und sah ihn an. Dann nahm er den Brotteller und hielt ihn ihm hin. Sie griffen beide zu.
    »Ich werde Ray unterrichten«, stellte Nick in Aussicht. »Das ist kein großes Opfer, im Gegenteil. Aber ich werde auch höflich zu deiner Frau und ihrer Tochter sein. Richtig nett, verstehst du, nicht unverschämt höflich. Und das ist ein Opfer, glaub mir. Im Gegenzug wirst du aufhören, ketzerische Schriften zu verfassen und mit diesem fürchterlichen Dr. Luther zu korrespondieren und Leute wie Simon Fish hier zu empfangen. Was sagst du?«
    Sein Vater betrachtete ihn ungläubig. »Du willst mich mundtot machen? Ich soll schweigen im Angesicht all des Frevels innerhalb der Kirche?«
    »Es ist nicht deine Sache, die Kirche zu reformieren«, konterte Nick kategorisch. »Und noch etwas. Du wirst die englische Bibel verbrennen.«
    »Auf keinen Fall.«
    »Dann verstecken.«
    Jasper of Waringham schwieg eine Weile und rang mit sich. Schließlich knurrte er: »Meinetwegen.«
    »Und alle anderen ketzerischen Bücher in deiner Bibliothek.«
    »Wer von uns beiden definiert ›ketzerisch‹?«
    »Ich. Sonst hat es ja gar keinen Zweck.«
    Sein Vater schüttelte traurig den Kopf. »Du hast keine Ahnung, was du von mir verlangst, mein Sohn.«
    »Und du hast keine Ahnung, was du von mir verlangst«, entgegnete Nick.
    »Du willst, dass ich das aufgebe, was mein Lebensinhalt geworden ist, und meine tiefsten Überzeugungen verleugne.«
    Nick sah ihm in die Augen. »Ist das wirklich wahr? Das ist dein Lebensinhalt? Theologische Spitzfindigkeiten und Ketzerei? Gedruckte Worte auf Papier?«
    »Es ist wichtig, Nick. Die Kirche ist so verkommen, dass sie den Glauben zugrunde richtet. Und dieses Land. Was ich tue, tue ich auch, weil ich England eine bessere Zukunft ermöglichen will. Und Waringham. Und dir.«
    »Ich zweifle nicht an der Lauterkeit deiner Motive«, stellte Nick klar. »Aber es gibt praktischere und näherliegende Dinge, die du für Waringham tun müsstest. Im Übrigen war es Verantwortung, von der wir sprachen. Also. Sei verantwortungsvoll, und ich werde es auch sein.«
    Jasper rang so lange mit sich, dass Nick eine Ahnung davon bekam, wie groß das Opfer war, das er von seinem Vater verlangte. Und er fragte sich, ob der die Theologie und die Reform der Kirche zum Inhalt seines Lebens gemacht hatte, weil Gott und König Henry ihm alles andere weggenommen hatten, das ihm je etwas bedeutet hatte.
    »Einverstanden«, sagte Lord Waringham schließlich mit einem tiefen Seufzen. »Aber bilde dir nicht ein, ich ließe mich von dir erpressen. Ich tue es, weil ich einsehe, dass ich Waringham und euch alle sonst in Gefahr bringen

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