Der dunkle Thron
Vater war John Finley of Fernbrook.« Diese Offenbarung endete mit einem leicht fragenden Unterton.
Nick schüttelte den Kopf. »Nie gehört.« Dann fiel ihm etwas ein. »Oder doch. Es gibt eine Pferdezucht in Fernbrook, richtig?«
»Allerdings. Die beste in Lancashire. Würdet nicht ausgerechnet Ihr vor mir stehen, hätte ich gesagt: die beste in England.« Ihre Miene war so unbewegt, dass er nicht wusste, ob dies ein Aufflackern von Humor oder todernst gemeint war.
»Ich widerspreche Euch nicht, Lady Janis. Ich habe über die Jahre ein paar Eurer Pferde gekauft und weiterverkauft, und sie waren alle hervorragend gelungen.« Höchstens ein bisschen schwach in den Fesseln, hätte er um ein Haar hinzugefügt, um sie zurechtzustutzen, aber er schluckte es herunter. »Was kann ich für Euch tun?«, fragte er stattdessen.
»Ich …« Sie senkte den Blick und musste sich räuspern, schaute ihn aber sofort wieder an. »Ich suche Arbeit.«
Nick war nicht überrascht. »Wart Ihr Nonne?«
Sie nickte. »Und bin es noch«, stellte sie klar.
Schade , fuhr es ihm durch den Kopf. »Warum geht Ihr nicht heim nach Fernbrook?«
»Weil mein Vater einer der Anführer der Gnadenwallfahrt war. Er wurde aufgehängt, genau wie mein Bruder, und Fernbrook fiel an die Krone.«
»Verstehe.«
Im Herbst vor drei Jahren hatte es im Norden eine Protestbewegung gegen die Loslösung von Rom, die Reform der englischen Kirche und vor allem gegen die Aufhebung der Klöster gegeben. Sie nannte sich die »Gnadenwallfahrt«, aber in Wahrheit war es ein handfester Aufstand gewesen. Scheinbar über Nacht hatten sich an die vierzigtausend Gentlemen und Bauern zusammengerottet und hinter einem Rechtsgelehrten namens Robert Aske gesammelt, der zwar aus dem hinterwäldlerischen Norden stammte, aber am Gray’s Inn in London praktiziert hatte und weltläufig genug war, um dem König ihre Forderungen zu unterbreiten. Henry hatten ordentlich die Knie geschlottert, denn er hatte nur ein kleines stehendes Heer, und die Gnadenwallfahrt hatte sich im Handumdrehen zur gefährlichsten inneren Krise seiner Regentschaft ausgeweitet. Also hatte er den Duke of Norfolk gen Norden geschickt, um die Sache aus der Welt zu schaffen. Bruder Norfolk hatte sich mit Enthusiasmus auf diese Chance gestürzt, den Makel wettzumachen, den das Boleyn-Debakel auf seinem Namen hinterlassen hatte. Robert Aske war nicht weltläufig oder nicht verschlagen genug gewesen, um Norfolks Niedertracht zu durchschauen, der den Aufständischen im Namen des Königs das Blaue vom Himmel versprach, bis sie sich zu zerstreuen begannen, und sie dann in kleinen Gruppen aufspürte und aburteilte. Robert Aske, diesen bedauernswerten Träumer, hatte er foltern und dann an den zerschmetterten Armen in Ketten über dem Burgtor von York aufhängen lassen. Aske hatte drei Tage gebraucht, um zu sterben.
»Kommt mit hinein, Schwester«, lud Nick seine Besucherin ein, und ohne eine Antwort abzuwarten ging er voraus zum einstigen Gemach des Priors.
Schwester Janis setzte sich an das freigeräumte Ende des Tischs, faltete die Hände im Schoß und blickte darauf hinab.
»Seid so gut und wartet hier einen Moment«, bat er. »Ich will sehen, was ich in der Küche finde.«
Als er dort ankam, stellte er fest, dass Gott ein Wunder für Schwester Janis gewirkt hatte: Es war ein Teller Suppe übrig. Nachdem Nick Martha, die Köchin der Krippe, artig um Erlaubnis gefragt hatte, stellte er die Schale mit einem Becher verdünntem Bier und einem Stück Brot auf ein Holzbrett und trug es zurück. »Hier, Schwester. Gesegnete Mahlzeit.«
Sie starrte einen Moment auf die Gaben. Ihre Hände ballten sich, vermutlich ohne dass sie es merkte. »Wie ich sagte, Mylord. Ich bin nicht gekommen, um zu betteln.«
Ihr unbeugsamer Stolz gefiel ihm. »Aber Ihr werdet mir dennoch gestatten, Euch zu einem Teller Suppe einzuladen, hoffe ich? Es ist nichts Besonderes, und Ihr esst den Kindern nichts weg, keine Bange.«
»Also meinetwegen. Danke.« Sie ergriff den Löffel, und es war unschwer zu erkennen, welche Mühe es sie kostete, nicht zu schlingen.
Nick ließ sie in Ruhe, bis sie aufgegessen hatte, und vertrieb sich die Zeit damit, verstohlen aus dem Augenwinkel und – so hoffte er – unauffällig die winzige Bewegung ihrer Brüste unter dem dunklen Kleid zu beobachten, wenn sie den Löffel an die Lippen führte.
Als sie den Teller schließlich zurückstellte, bemerkte sie: »Es gab einmal eine Zeit, da war viel Kommen und
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