Der dunkle Thron
Tower eingesperrt. Der älteste Sohn hingerichtet, der zweite Sohn im Exil, der dritte ein Wrack seit der Streckbank und sogar ihre Enkel im Tower eingesperrt. Eine Schande ist das.«
John nickte bedrückt. »Und sind wir mal ehrlich: Das einzige Vergehen der Poles ist ihre nahe Verwandtschaft zum König und ihre konservative Glaubensauffassung. Aber Lady Margarets Kampfgeist ist ungebrochen. Sie hat zu mir gesagt, wenn Cromwell seinen Willen bekäme und sie zum Tode verurteilt werde, hoffe sie, dass man sie in einem Weinfass ertränkt wie ihren Vater, denn sie teile dessen Schwäche für Malvasier.«
Nick schüttelte den Kopf und lachte in sich hinein. »Ich hoffe, Cromwell wird sich die Zähne an ihr ausbeißen …«
John trank einen Schluck und nahm ein Stück Butterkuchen von der Platte, die Helen ihnen gebracht hatte. Ein wenig zögerlich biss er ab, kaute, schluckte und brummte dann zufrieden: »Helen ist und bleibt eine miserable Köchin, aber zumindest versteht sie sich darauf, den richtigen Bäcker auszuwählen.«
»Warum stellst du keine andere Magd ein, wenn sie immer noch die Suppe versalzt? Es gibt weiß Gott genug fleißige, ordentliche Frauen da draußen, die Arbeit suchen.«
»Hm, mal sehen«, gab John zurück, aber Nick hörte an seinem Tonfall, dass Helen sich keine Sorgen um ihre Stellung machen musste. John war so beseelt von seiner Arbeit und seinen Büchern, dass er vermutlich gar nicht merkte, was sie ihm vorsetzte. Oder möglicherweise war es auch so, dass Helen ihm das Bett wärmte, überlegte Nick, denn weder besuchte John die Londoner Hurenhäuser, noch schien er sich mit Heiratsabsichten zu tragen, aber auch er war schließlich nur ein Mann und sein Fleisch somit schwach …
»Ich bin anschließend noch in der Krippe vorbeigeritten«, riss John ihn aus seinen Spekulationen.
»Und? Irgendwelche außergewöhnlichen Katastrophen?«
»Im Gegenteil. Diese Janis Finley ist ein großer Gewinn. Sie unterrichtet nicht nur die Mädchen, sondern sie stellt das ganze Haus auf den Kopf. Sie hat auf dem Getreidemarkt einen neuen Händler aufgetan, der uns ab einer bestimmten Menge preiswerter beliefert als der alte. Und sie hat angefangen, diese Papierberge zu sichten und zu ordnen, die sich immer noch auf dem Tisch des Priors stapeln. Lady Meg sagt, sie weiß schon gar nicht mehr, was wir ohne Janis gemacht haben.«
Nick nahm sich ebenfalls ein Stück Butterkuchen. »Und hast du irgendetwas über sie herausgefunden?«, fragte er und biss ab.
»Allerhand. Nicht von ihr, allerdings, sie ist ausgesprochen zurückhaltend. Aber pass mal auf …«
John stand auf, trat an eines der Regale und holte ein altes, in Leder gebundenes Manuskript heraus. Beinah mit so etwas wie Ehrfurcht trug er es zum Tisch und legte es vor Nick ab.
Der erkannte es auf einen Blick. »Unsere alte Familienbibel?«
»Du hast sie mir geborgt, weil ich die Geschichte unserer Ahnen nachlesen wollte, weißt du noch?«
»Natürlich.«
»Ich bin nie dazu gekommen, aber irgendwie ließ mir der Name Fernbrook keine Ruhe, und ich habe ihn da drin tatsächlich gefunden. Schau selbst.«
Nick schlug das altehrwürdige Buch weit hinten auf, wo John eine Seite mit einem kleinen Papierstreifen markiert hatte, und las murmelnd: »… nahm der Duke of Lancaster Robert of Waringham in seine Dienste und gab ihm Fernbrook Manor zu Lehen . Robert of Waringham?«, wiederholte er verständnislos. »Großvater?«
»Unsinn«, entgegnete John ungeduldig. »Sieh dir die Überschrift an: Anno Domini 1368 . Es war der Urgroßvater deines Großvaters, meines Onkels Robin.«
Nick las weiter und erfuhr, dass jener Urahn aus dem Nebel der Vergangenheit – Robert of Waringham – dieses Fernbrook seiner ältesten Tochter und ihrem Gemahl überschrieben hatte, als er Earl of Burton wurde. Und dort in Burton hatte er einen Steward namens Finley gehabt. Es brauchte nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass es zwischen den Finley und den Waringham dort oben in Lancashire irgendwann zu Ehen gekommen war, so wie es hier im Süden etwa zwischen den Waringham und den Durham geschah. Viel mehr fand sich indes nicht über Fernbrook in der knappen Chronik. Ein paar Geburts- und Sterbedaten, aber dann versiegten die Einträge über den entfernten Familienzweig am Ende der Welt, und so war es kein Wunder, dass man ihn in Waringham vergessen hatte.
Nick klappte das schwere Buch zu und strich versonnen über den rissigen Ledereinband. »Und schon
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