Der dunkle Thron
Hühner und Ziegen. Natürlich gingen sie auch der Köchin zur Hand. Die Krippe konnte sich keine Dienerschaft leisten, und diese Fertigkeiten zu erlernen war für die Zukunft der Waisenkinder ohnehin viel wichtiger als Lesen und Schreiben.
»Ist Lady Meg hier?«, fragte er.
Gail schüttelte den Kopf.
»Na schön. Lass dich nicht aufhalten.« Mit einem Wink schickte er sie zurück an die Arbeit und warf einen Blick in die Küche. »Gott zum Gruße, Martha.«
»Mylord.« Die Köchin knetete einen Teig in einer riesigen Schüssel, und ihre fetten Arme schwabbelten unter dem Stoff ihres Kleides. Eine Katze strich ihr schmeichelnd um die Beine, aber umsonst: Nichts fiel herunter.
»Was macht dieses Vieh hier in der Küche?«, erkundigte er sich stirnrunzelnd.
»Sie hält uns die Ratten vom Leib«, erklärte Martha prompt. »Ich sorg schon dafür, dass sie den Kindern nichts wegfrisst.«
»Ich wette, das war Durhams Idee …«, murmelte Nick vor sich hin.
Die dicke Köchin nickte. »Seine Idee, seine Katze.«
»Mach dir keine Sorgen. Er hat noch ungefähr zwei Dutzend davon zu Hause …« Die Holzläden der beiden Fenster standen offen, und er schaute hinaus in den Garten. Zu seiner Überraschung entdeckte er dort auf der kleinen Wiese mit den Beerensträuchern Janis Finley. Wie eine Fee saß sie mit angewinkelten Knien im Gras, umgeben von einem ordentlichen Kreis kleiner Mädchen, die ihr aufmerksam lauschten. »Unterricht unter freiem Himmel?«, fragte er verwundert.
Die Köchin hob die teigverschmierten Hände zum Himmel. »Fragt nicht, Mylord. Schwester Janis hat jeden Tag ein Dutzend neumodischer Ideen und lässt einem keine Ruhe, bis man sie ausprobiert. Aber sie ist schon richtig, unsere Janis. Die Mädchen beten sie an und wollen alle so werden wie sie. Und so aussehen wie sie. Na ja, sie ist ja auch eine Schönheit.«
»Wirklich?«, fragte er scheinbar desinteressiert. »Hm, kann sein. Ich hab sie mir noch nicht so genau angeschaut …«
Martha warf ihm einen amüsierten Blick zu und raunte dann in ihre Schüssel: »Ja, das glaub ich aufs Wort.« Sie knetete unermüdlich weiter. »Nur Master Gerard und Master Ingram sind nicht so angetan von ihrer Ankunft. Sie sind eingeschnappt, weil Schwester Janis in ihrem Revier wildert. Vor allem, weil sie sich nichts von ihnen gefallen lässt.«
Nick gab keinen Kommentar ab. Er wusste, wenn sie Janis als Lehrerin behielten, würde einer der beiden ehemaligen Mönche gehen müssen.
»Wenn Ihr einen wegschicken wollt, dann Ingram«, legte Martha ihm nah, als könne sie seine Gedanken lesen. »Er sieht die Mädchen an, Mylord. Ihr wisst schon, was ich meine. Wahrscheinlich kann er nichts dafür. Er hat so lange nur unter Männern gelebt und kommt nicht damit zurecht, auf einmal wieder draußen in der Welt zu sein. Aber lange wird er die Finger nicht mehr stillhalten.«
Nick wusste schon, warum er sich bei jedem Besuch in der Krippe einen Moment Zeit nahm, um mit der Köchin zu plaudern. Ihr entging nicht viel, und sie nahm kein Blatt vor den Mund. »Danke, Martha. Ich werde versuchen, ihm eine Anstellung in einer Jungenschule zu besorgen.«
»Das wär sicher das Beste«, stimmte sie zu.
Die Küchentür wurde geräuschvoll aufgestoßen, und einer der größeren Jungen trat ein, in jeder Hand einen vollen Wassereimer. »Mylord«, grüßte er mürrisch, stellte die Eimer neben dem Herd ab und machte einen etwas unwilligen Diener.
»Richard«, erwiderte Nick kühl.
Martha wies auf den dampfenden Kessel über dem Feuer. »Bring ihn raus und schütte ihn in den großen Waschzuber, mein Junge. Sieh dich vor, das Wasser ist kochend heiß.«
Richard wirkte schlaksig und dürr, aber er hob den schweren Kessel ohne erkennbare Mühe mit einem dicken Lappen vom Haken und trug ihn hinaus. Grußlos und mit rebellischer Miene.
»Verdrießlich wie eh und je«, bemerkte Nick und sah ihm kopfschüttelnd nach.
Martha hob die Schultern. »Der Junge hat das Herz auf dem rechten Fleck, Mylord. Aber er hat eben seinen eigenen Kopf, vor allem in Glaubensfragen. Seine Eltern waren eifrige Reformer, eh die Pest sie geholt hat. Er hält trotzig an dem fest, was sie ihm beigebracht haben, um ihr Andenken zu ehren. Das spricht doch eigentlich für ihn. Aber er gibt Widerworte im Unterricht, und Master Gerard verprügelt ihn ständig. Das macht Richard nicht langmütiger, wenn Ihr versteht, was ich meine …«
»Ich bin sicher, Master Gerard tut es nur zu seinem Besten, Martha«,
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