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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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»Ihr habt Euch soeben um Kopf und Kragen geredet, Waringham.«
    Nick richtete sich wieder auf und nickte. »Dann ruft Eure Knochenbrecher wieder herein und lasst mich in den Tower schaffen. Aber ich werde das Gefühl nicht los, dass es gar nicht das ist, was Ihr wollt. Also sagt mir endlich, weswegen ich hier bin, Cromwell, oder ich werde gehen und Eure knapp bemessene Zeit nicht länger beanspruchen.«
    Cromwell schwieg, bis Nick sich abgewandt und die Tür schon fast erreicht hatte. Dann sagte er: »Ich will Euch einen Handel vorschlagen.«
    Nick wandte sich langsam wieder um. »Einen Handel? Mir? Du meine Güte, Ihr müsst verzweifelter sein, als ich dachte.«
    Der mächtige Generalvikar schlug gemächlich die Beine übereinander und wirkte alles andere als verzweifelt. »Ich erzähle Euch gewiss nichts Neues, wenn ich sage, dass der Duke of Norfolk nach meinem Blut lechzt?«
    Nick zuckte desinteressiert die Achseln. »Ich weiß nichts über die Intrigen unter Henrys Hofschranzen«, gab er rüde zurück. »Aber Norfolk ist kein Anhänger Eurer Reform, so viel steht fest.«
    »Nein. Darum war ihm die Ehe des Königs mit Anna von Kleve ein Dorn im Auge. Diese Ehe ist ein Fehlschlag und wird annulliert, und Ihr könnt wetten, Henrys nächste Gemahlin wird ein Geschöpf unter Norfolks Kontrolle sein. Der König nimmt die Sache mit Anna von Kleve sehr persönlich, weil der ganze Hof sich das Maul darüber zerreißt, dass er seinen Pflichten als Ehemann nicht nachkommen kann. Er gibt mir die Schuld daran. Weil ich ihm eine Braut ausgesucht habe, die er nicht anziehend findet und die ihn folglich nicht in Wallung bringt. So wie er mir die Schuld an der Gnadenwallfahrt gegeben hat. Ich habe vorgeschlagen, die Klöster aufzuheben, und dafür haben die Menschen im Norden ihn so gehasst, dass sie sich gegen ihn erhoben haben. Der König hält es aber nicht aus, gehasst zu werden, Waringham. Ohne Jubel und Bewunderung vergeht er wie eine Pflanze ohne Wasser. Seit der Gnadenwallfahrt grollt er mir.«
    »Vergebt, wenn ich Euch unterbreche, Cromwell, aber ich fühle mich nicht ganz wohl in der Rolle als Euer Beichtvater.« Nicks Hohn klang bitter. »Zumal Ihr die Beichte ja für überflüssigen Firlefanz haltet.«
    Cromwell schien ihn gar nicht gehört zu haben. »Norfolk hat den Norden für den König befriedet. Norfolk wird ihm die nächste Braut ins Bett legen. Mit anderen Worten: Norfolk hat gute Chancen, zu kriegen, was er will.«
    »Euren Kopf?«
    Derselbe ruckte hoch. »Ganz recht. Aber er bekommt ihn nicht, wenn Ihr mir helft.« Er wies auf die Papiere auf seinem Tisch. »Ich habe hier genug, um Euch in den Tower und vermutlich aufs Schafott zu bringen, Mylord. Aber wenn Ihr aussagt, Ihr hättet daheim im abgelegenen Waringham ein Verschwörertreffen zwischen Norfolk und seiner Schwester – Eurer Stiefmutter – belauscht, dessen Inhalt war, dass Norfolk Prinz Edward ermorden, Lady Mary heiraten und mit ihr zusammen den Thron besteigen wolle, um England zurück in die Obhut der päpstlichen Kirche zu führen … dann wird es Norfolks Kopf sein, der rollt, nicht meiner oder Eurer. Und der Eurer Stiefmutter vermutlich ebenso, was Euch ja auch ganz recht wäre, nicht wahr?«
    Nick stellte es sich vor: Sumpfhexe in zerschlissenen, schmuddligen Kleidern, mit aufgelöstem Haar und angstvoll aufgerissenen Augen auf dem Tower Hill. Die johlende Menge. Fliegende Eier und Pferdeäpfel. Der maskierte Scharfrichter mit dem Beil. Ein hübsches, ein verführerisches Bild. Ihm wurde ganz warm ums Herz davon. Sie hätte es verdient , dachte er. Ein grausames Ende für eine grausame Frau .
    Mit einem Lächeln, das ihn Mühe kostete, antwortete er: »Wahrscheinlich lohnt es sich für Euch nicht mehr, noch etwas fürs Leben zu lernen, Cromwell, aber ich gebe Euch einen kostenlosen Rat: Ihr solltet einem Mann nicht drohen, von dem Ihr eine Gefälligkeit wollt.«
    Damit trat er hinaus, schloss die Tür ohne übermäßigen Schwung, ging an den Wachen vorbei, und weil es hinter der Tür zu Cromwells Arbeitszimmer mucksmäuschenstill blieb, ließen sie ihn ziehen.
    So kam es, dass Thomas Cromwell an diesem zehnten Juni etwas verspätet zur Sitzung des Kronrats erschien. Alle anderen Lords waren bereits versammelt und blickten ihm mit versteinerten Mienen entgegen, als er mit einem jovialen Lächeln den Saal betrat. Doch die launige Entschuldigung, die er sich zurechtgelegt hatte, kam ihm nie über die Lippen, denn der Captain der Wache

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