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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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glaube nicht, dass Lord Waringham das wirklich tun wird, Helen.«
    Er sah fragend zu Nick, um sich zu vergewissern, dass er sich nicht täuschte. Nick deutete ein Kopfschütteln an und winkte verstohlen ab.
    »Also trockne deine Tränen und steh auf«, fuhr John fort. »Vor dem Mittagsläuten musst du das Haus verlassen haben.«
    Die Magd kam langsam auf die Füße und fuhr sich mit dem Ärmel über die Nase. Ohne einem der Männer ins Gesicht zu sehen, schob sie sich an ihnen vorbei und lief die Treppe hinab.
    Keiner der Cousins sprach, bis sie unten die Küchentür hörten. Dann murmelte John: »Die kleine Helen … Wer hätte das gedacht.« Es klang erschüttert.
    »Tja«, gab Nick zurück. »Die kleine Helen hat es faustdick hinter den Ohren, wie es scheint. Wir hätten uns ein Beispiel an Nathaniel Durham nehmen und misstrauischer sein sollen.«
    »Bist du in Schwierigkeiten?«, fragte John besorgt.
    »Ich bin nicht ganz sicher«, bekannte Nick. »Vermutlich ja. Ich verschwinde jedenfalls erst einmal nach Waringham. Vielleicht wäre es das Klügste, die alte Zugbrücke dort zu schließen …« Er hielt kurz inne. Der Gedanke war gar nicht dumm, ging ihm auf. Er wusste allerdings nicht, ob die Winde überhaupt noch funktionierte. »Leb wohl, John. Und sei nicht gar zu niedergeschlagen. Solche Dinge passieren. Vermutlich müssen wir Helen zugestehen, dass es nicht ganz einfach ist, sich von Cromwells Drohungen nicht einschüchtern zu lassen.«
    »Ah«, machte John, als sei ihm ein Licht aufgegangen. »Du lässt sie laufen, weil du sie insgeheim bedauerst.«
    Nick zuckte ungeduldig die Schultern. »Allein und ohne Empfehlungsschreiben auf der Straße zu stehen wird Strafe genug sein.«
    Er sah allenthalben über die Schulter, als er in der brütenden Mittagshitze zur Old Fish Street ging, aber keine gelb-blau livrierten Finstermänner lauerten in Toreinfahrten oder Hauseingängen auf ihn. So gelangte er unbeschadet zur Krippe zurück, und im Stall erwischte er Janis Finley beim Misten.
    »Nanu, Schwester Janis.«
    Sie schien leicht zusammenzuschrecken und wandte sich um, die Mistgabel in der Linken, als wolle sie ihn notfalls damit abwehren.
    »Diese Aufgabe sollte eigentlich eins der älteren Kinder erledigen«, bemerkte er. »Es besteht keine Veranlassung, dass Ihr hier niedere Arbeiten verseht.«
    Janis ließ die Mistgabel sinken und lächelte – eine Spur verlegen, so schien es ihm. »In Wahrheit wollte ich nur einen Blick auf Euren herrlichen Orsino werfen, Mylord«, gestand sie. »Außerdem brauchte ich Beschäftigung, denn ich habe meine Klasse Master Ingram überlassen, weil er allmählich schwermütig von zu viel Müßiggang zu werden drohte.«
    Nick hörte einen unmissverständlich spöttischen Unterton. »Das liegt vermutlich daran, dass der arme Master Ingram nie auf die Idee käme, sich die Langeweile mit der Mistgabel zu vertreiben«, bemerkte er und wurde mit einem warmen, ansteckenden Lachen belohnt.
    Irgendein guter Geist hatte Orsino in den Stall gebracht, damit er wenigstens im Schatten stand. Nick löste den Zügel von dem Haken an der Wand und schlang ihn über den edlen Pferdekopf. »Ihn muss ich Euch nun leider entreißen, Schwester, denn ich muss aufbrechen.«
    »Ihr reitet nach Waringham?«
    Er nickte, wollte sich mit Orsino zum Stalltor wenden und zögerte dann. »Wollt Ihr mich vielleicht begleiten und es kennenlernen? Immerhin liegen dort auch Eure Wurzeln.«
    Auf einmal war ihr ganzer Körper vollkommen still, als wäre sie erstarrt. »Woher wisst Ihr das?«, fragte sie.
    Nick klopfte auf die linke Satteltasche. »Aus einer alten Familienbibel.«
    »Tatsächlich? Und was sonst habt Ihr herausgefunden?«
    Er drehte sich noch einmal ganz zu ihr um. »Gar nichts. Nur dass ein Waringham einmal Earl of Burton war – das war mir ganz neu. Aber kaum etwas über Eure Vorfahren, Madam. Und es war auch nicht meine Absicht, Euch nachzuspionieren«, log er.
    Janis entspannte sich. »Ich würde Waringham gern eines Tages besuchen«, gestand sie. »Aber nicht heute. Hier ist zu viel zu tun.«
    Und du willst Master Ingram nicht kampflos das Feld überlassen, mutmaßte Nick.
    »Nun, dann ein andermal.« Er sagte es eine Spur kühl, so als wäre es ihm völlig gleich. Aber das war es nicht. Er betrachtete die junge Frau in dem verschlissenen, dunklen Kleid noch einen Moment und konnte nicht fassen, welche Mühe es ihn kostete, sich von ihrem Anblick loszureißen. Er wollte sich nicht abwenden und

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