Der dunkle Thron
poliertem Silbergeschirr und Glaspokalen bricht? Lange Tische, und die Bänke voller Ritter und Damen und Kinder? Wie lebhaft es hier zugegangen sein muss.«
»Ich habe bis heute nicht gewusst, dass ein Schwärmer in dir steckt«, spöttelte Simon, verschränkte die Arme vor der Brust und schaute sich um. »Aber diese Zeiten werden wohl nie wiederkommen. Jetzt bevölkern Bettler deine Halle, und Feuer in den Kaminen gibt es nur, wenn Jim einmal im Monat ihre flohverseuchten Strohlager verbrennt …«
Nick kehrte unsanft in die Gegenwart zurück. »Da fällt mir ein, dass ich neues Stroh kommen lassen muss. Und Alice hat sich beklagt, weil sie den Dorfofen so oft mit Beschlag belegen muss, um das Brot für unsere Gäste zu backen, dass die anderen Frauen schon anfangen zu zetern, wenn sie sie kommen sehen.«
»Bau ein Backhaus im Burghof«, schlug Simon vor.
»Hm. Fragt sich nur, wovon.« Seit die Baronie keine Darlehensraten und Zinsen mehr an Nathaniel Durham zahlen musste und das Gestüt wieder gewachsen war, kam Nick einigermaßen über die Runden. Aber Sumpfhexe strich nach wie vor ein Drittel seiner Einkünfte als ihren Witwenanteil ein, und der zunehmende Verfall des Geldwertes ließ die Pachteinnahmen von Jahr zu Jahr schrumpfen.
Simon nickte – er wusste all das. »Dann werde ich Pastor Derkin bitten, an die Mildtätigkeit der Bauersfrauen zu appellieren und sie zu ermahnen, Alice beim Brotbacken keine Schwierigkeiten zu machen.«
»Ja, das wäre vermutlich die preiswertere Lösung«, stimmte Nick zu. »Ich bin nur nicht ganz sicher, ob Pastor Derkin deiner Bitte nachkommt.«
Nachdem der papsttreue, aber korrupte Vater Ranulf sich bei Nacht und Nebel verdrückt hatte und vermutlich auf den Kontinent geflohen war, hatte die erzbischöfliche Verwaltung Jeremiah Derkin als Seelsorger nach Waringham geschickt, der ein ebenso radikaler Reformer war wie Erzbischof Cranmer selbst, und folglich führten er und Vater Simon ihren ganz persönlichen kleinen Glaubenskrieg.
»Ja, das ist wahr«, räumte Simon nun ein. »Vielleicht besser, wir überlassen Madog diese delikate Mission. An ihm ist wahrhaftig ein Diplomat verloren gegangen.«
»Er kommt heute Abend mit seiner Familie zum Essen herüber. Lass es uns nicht vergessen«, sagte Nick, und als er sich zur Tür wandte, entdeckte er dort seinen Bruder. »Ray! Das ist zur Abwechslung einmal eine freudige Überraschung.«
Er trat zu ihm, und weil er nie sicher sein konnte, wie sein Bruder gerade auf ihn zu sprechen war, wartete er ab. Zu seiner Verblüffung schloss der junge Mann ihn ungewohnt herzlich in die Arme. »Nick.« Raymond lächelte, aber sein Blick war kummervoll.
Höflich begrüßte er Vater Simon, war aber sichtlich erleichtert, als Nick vorschlug, in den Rosengarten des Bergfrieds hinunterzugehen. Dort war man meistens ungestört.
Sie machten einen Umweg am Grab ihres Vaters vorbei, wie es ihre Gewohnheit war, und blieben einen Moment davor stehen, um zu beten. Es war immer ein guter Anfang für eine Begegnung mit Raymond, wusste Nick, denn Jasper of Waringhams Andenken war das stärkste Bindeglied zwischen ihnen.
Dann umrundeten sie die kleine Kapelle und gelangten in den Garten. Die Rosenpracht neigte sich dem Ende zu, und die letzten Blüten wirkten staubig und durstig.
Nick führte seinen Bruder zu dem kleinen Rondell, wo immer noch kein Springbrunnen plätscherte, und lud ihn mit einer Geste ein, auf der Bank Platz zu nehmen.
Raymond hockte sich auf die Kante und fuhr sich mit dem Unterarm über die Stirn. »Mörderisch heiß.«
»Allerdings.« Nick setzte sich zu ihm. »In der Stadt muss es allmählich unerträglich werden, schätze ich.«
»Bestimmt. Aber ich komme aus Hampton Court. So nah am Fluss geht es noch einigermaßen.«
»Deine Mutter sagte mir, dass Norfolk dich derzeit sehr in Anspruch nimmt.«
Raymond lächelte flüchtig. »Meine Mutter übertreibt«, vertraute er ihm an. »Sie ist stolz darauf, dass ich bei Hofe lebe, aber in Wirklichkeit habe ich es dort noch zu gar nichts gebracht. Wie die meisten Kerle in meinem Alter lungere ich nur herum und vertue meine Zeit mit der Laute oder beim Kartenspielen. Bis mein Onkel mich zufällig entdeckt und mich auf irgendeinen blödsinnigen Botengang schickt, damit ich dem König nicht nutzlos auf der Tasche liege.«
Nick betrachtete ihn. Raymond war siebzehn; ein gut aussehender, athletischer junger Mann. Seine farbenfrohen, feinen Kleider ebenso wie der Hauch von
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