Der dunkle Thron
junge Pferd den Sattel sehen konnte, der über der Trennwand zur Nachbarbox hing.
Augenblicklich spürte Nick Estebans Rebellion. Das vertraute, schwache Summen war in seinem Kopf, und was er wahrnahm, waren Zorn und Furcht. Nick lehnte die Stirn an den warmen Pferdekopf und dachte: Was muss ich tun, damit du endlich Vertrauen fasst? Spanisch lernen?
Grantig und hinkend kam er kurz vor Mittag zurück auf die Burg, und um dem abscheulichen Morgen die Krone aufzusetzen, kam seine Stiefmutter aus ihrem Garten, ehe Nick den Burgturm betreten und vorgeben konnte, sie nicht gesehen zu haben. Sumpfhexe humpelte auch, stellte er fest.
»Nicholas?«
Auf halbem Weg zwischen ihrem Haus und seinem blieb er stehen. »Madam.« Er verneigte sich nicht und trat auch nicht näher.
Doch heute schien seine Unhöflichkeit völlig verschwendet zu sein, denn Lady Yolanda bemerkte sie gar nicht, sondern kam mit einem untypisch freudigen Lächeln auf ihn zu. »Nicholas, stell dir vor, Cromwell, dieser Teufel, ist verhaftet worden!«
Nick sagte nichts. Aber er spürte, wie sich auch auf seinem Gesicht ein Lächeln Bahn brach.
Sie wedelte mit dem Brief, den sie ihm entgegenstreckte. »Hier, das kam eben von meinem Bruder Norfolk. Lies.«
Nick streifte Norfolks Siegel mit einem prüfenden Blick und las die wenigen nüchternen Zeilen. »Verrat und Häresie …«
»Du weißt, was das bedeutet, oder?«, sagte Sumpfhexe frohlockend. »Sie werden ihn verurteilen! Der König ist endlich aufgewacht und hat Cromwell durchschaut. Die Gottlosigkeit im Land wird ein Ende haben, Cromwell wird den Kopf verlieren und der Tod deines Vaters endlich gesühnt!«
Nick fuhr fast unmerklich zusammen und gab ihr den Brief zurück. »Das war Wolseys Werk, nicht Cromwells«, erinnerte er sie.
»Der mit Wolsey unter einer Decke steckte«, widersprach sie. »Oh, Nicholas, ich kann dir gar nicht sagen, wie glücklich diese Nachricht mich macht!«
Das war nicht zu übersehen. Und offenbar wusste sie einfach nicht, wohin mit ihrem Glück, sodass sie sich anschickte, ausgerechnet ihn daran teilhaben zu lassen.
Aber Nick hatte kein Interesse. »Wenn Ihr mich entschuldigen wollt, Madam. Ich komme aus dem Gestüt und bin staubig. Ich erinnere mich, dass Ihr das missbilligt.«
Doch nicht einmal damit konnte er sie heute in Rage versetzen. Er begann gerade, sich zu fragen, ob dies vielleicht irgendein fauler Bildzauber und gar nicht seine Stiefmutter war, als die Haustür sich öffnete und Brechnuss mit ihrem Gemahl in den Garten kam. Sie war hochschwanger, und er musste zugeben, dass ihr das hervorragend stand. Sie blühte.
»Ah, liebster Bruder«, säuselte sie und trat näher. »Wie geht es deiner reizenden Gemahlin und deinen beiden entzückenden kleinen Bauerntrampeln?«
Nick ignorierte sie.
Jerome Dudley hatte den Arm besitzergreifend um ihre Taille gelegt. Er bedachte sie mit einem Kopfschütteln, das zu gleichen Teilen Betrübnis wie Nachsicht auszudrücken schien, und dann reichte er Nick lächelnd die Hand. »Waringham. Welch ein glücklicher Tag für England.«
Nick schlug ein, entgegnete aber: »Ich bin verwundert, das ausgerechnet von dir zu hören. Suffolk und du wart doch immer eines Sinnes mit Cromwell. Kaum hat das Water Gate des Tower sich hinter ihm geschlossen, schon lasst ihr ihn fallen?«
»Wir waren schon lange nicht mehr eines Sinnes«, widersprach Jerome ernst.
Nick bedachte diese Behauptung mit dem skeptischen Lächeln, das sie verdiente, und weigerte sich standhaft, seine Stiefschwester anzusehen.
Er hatte kein Wort mehr mit ihr gewechselt seit jener Nacht in Eltham, als sie seine und Marys Flucht vereitelt hatte, und in den Jahren seither hatte er sie auch nur zu den seltenen Gelegenheiten gesehen, da er an den Hof zitiert wurde, etwa bei der Taufe des Prinzen vor drei Jahren. Da war sie ebenfalls guter Hoffnung gewesen.
»Ist Ray auch hier?«, fragte er seine Stiefmutter.
Sie schüttelte den Kopf. »Aber ich rechne bald mit ihm. Mein Bruder Norfolk kann ihn im Moment schlecht entbehren, denn der König stützt sich jetzt natürlich ganz auf ihn, da Cromwell endlich überführt ist, und mein Bruder braucht seinerseits seine vertrauten und zuverlässigsten Männer in seiner Nähe. Doch er hat mir versprochen, dass Raymond spätestens zu St. Johannes für ein paar Tage heimkommt.« Nick hörte die Sehnsucht in ihrer Stimme.
Er nickte und wollte sich abwenden, doch Jerome hielt ihn am Ärmel zurück. »Nick …«
Unwillig sah
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