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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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ablöst, mein Junge?«, fragte Nicks Pate ein wenig außer Atem. »Ich gestehe es mir nicht gern ein, aber es bleibt eine Tatsache: Ich werde alt. Und meine junge Tanzpartnerin hier ist unermüdlich, fürchte ich.«
    Nick schüttelte lächelnd den Kopf. »Ich bin nicht überrascht, Mylord, denn ich begleite Lady Mary gelegentlich auf ihren Spaziergängen, die in Wahrheit Gewaltmärsche sind. Doch ich fürchte, beim Tanzen muss ich passen. Tatsächlich habe ich gerade darüber nachgedacht, welch eine fremde Welt das hier für mich ist.«
    »Euer Glück, lieber Freund«, befand Mary. »Ein Königshof ist immer ein Ort der Eitelkeiten und des Scheins. Oder was sagt Ihr, Mylord of Suffolk?«
    »Ich gebe Euch recht. Aber ebenso ist es ein Ort der Macht, die immer eine große Faszination auf die Waringham ausgeübt hat. Darum ist es seltsam, dass du nie Zugang zu dieser Welt gesucht hast, Nick.«
    Der hob abwehrend die Linke. »Ich kann überhaupt nichts Faszinierendes daran erkennen, wenn Ihr die Wahrheit wissen wollt. Gerade heute früh konnte man auf dem Tower Hill wieder einmal eindrucksvoll erleben, wo Macht enden kann. Nein, vielen Dank. Ich befasse mich viel lieber mit Pferdezucht. Das einzige, was ich von diesem Hof je wollte, war ein neues Marktrecht für Waringham, aber meine alljährlichen Gesuche werden regelmäßig abgelehnt. Was Euch veranschaulichen sollte, welcher Wind mir hier immer noch entgegenbläst, Mylord.«
    »Es liegt allein bei dir, das zu ändern«, belehrte Suffolk ihn streng.
    Aber Nick schüttelte den Kopf. »Im Taktieren bin ich ebenso ungeschickt wie im höfischen Tanz. Aber wer weiß. Vielleicht kann mein Bruder mir das Marktrecht ja verschaffen. Er hat das Ohr der Königin, und wie es aussieht, schlägt der König ihr keinen Wunsch ab.«
    »Dann sollte dein Bruder sich lieber beeilen. Wer weiß, wie lange Vaters Verzückung anhält«, wisperte Mary boshaft.
    Nick grinste verstohlen, aber Suffolk war befremdet. Mit einer kleinen Verbeugung entschuldigte er sich: »Wenn Ihr erlaubt, Madam, trage ich meine alten Knochen zurück zu meinem Polstersessel. Bei Waringham weiß ich Euch ja in den besten Händen.«
    Mary nickte. »Habt Dank für den Tanz, Mylord.« Sie wartete, bis Suffolk sich entfernt hatte, ehe sie spitz hinzufügte: »Fast wünsche ich mir, Pfalzgraf Philipp Dingsda käme zurück. Der tritt mir bei der Gaillarde wenigstens nicht auf den Rocksaum.«
    Nick sah seinem Paten einen Moment nach. »Weißt du, dass sein Vater bei der Schlacht von Bosworth für deinen Großvater gefallen ist?«
    »Natürlich. Er war sein Standartenträger, richtig?«
    Er nickte. »Suffolk ist sehr stolz darauf. Und er tut das gleiche: Er trägt die Standarte deines Vaters – wenigstens im übertragenen Sinne – und reagiert überaus empfindlich auf jedes Anzeichen von Rebellion oder mangelndem Respekt.«
    »Und verschließt vor allem die Augen, was nicht so ist, wie es sein sollte?«
    »Vielleicht. Jedenfalls habe ich mir schon manches Mal gewünscht, ich könnte genauso sein. Für ihn sind die Dinge nie so kompliziert wie für mich.«
    Mary nahm seinen Arm – und wie üblich war es ihr gleich, wer es sah oder was der Hof darüber dachte. »Nun, ich bin froh, dass du anders bist«, gab sie trotzig zurück. »Manchmal denke ich, nur deswegen lebe ich noch.«
    »Das Kloster in Wetherby wurde aufgelöst wie alle anderen«, begann Chapuys. »Lady Katherine Neville, die Äbtissin, übergab Cromwells Kommissaren eine Liste der Liegenschaften und Wertgegenstände und eine zweite mit den Namen aller Schwestern, ganz nach Vorschrift. Aber die Gemeinschaft der Schwestern löste sich nicht auf. Die Äbtissin besaß ein kleines Gut in Yorkshire, und dorthin führte sie diejenigen ihrer Mitschwestern, die nicht wussten, wohin sonst sie gehen sollten. Es waren fünfzehn.«
    Er verstummte. Gemächlich trabten sie Seite an Seite durch die Dämmerung die staubige, verlassene Straße entlang.
    »Und dann?«, fragte Nick schließlich, als das Schweigen ihm zu lang wurde.
    »Sie setzten ihr Leben dort fort wie zuvor im Kloster. Sie trugen weltliche Kleidung, um keine unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, aber sie lebten zurückgezogen, in Keuschheit und Bescheidenheit, wie ihr Gelübde es vorschreibt, hielten ihre Offizien und so weiter.«
    »Dagegen konnte doch gewiss niemand etwas einzuwenden haben? Was Lady Katherine in ihrem eigenen Haus tut, ist doch wohl ihre Sache.«
    »Hm«, stimmte der kaiserliche

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