Der dunkle Thron
einnehmen und die Reform umkehren, wo er nur kann, was wiederum Euch und den Kaiser glücklich machen sollte. Mehr Glück wäre kaum auszuhalten, oder?«
Chapuys offerierte ein gänzlich ausdrucksloses Lächeln. »Apropos Cromwell. Ihr wart dort?«
»Oh ja.« Nick hob seinen Pokal und nahm einen ordentlichen Zug. »Es war schauderhaft.«
»Das habe ich schon gehört.«
»Wie üblich«, gab Nick mit einem matten Lächeln zurück. »Und wo wir gerade von Eurer Allwissenheit sprechen: Habt Ihr schon etwas über die Benediktinerinnen von Wetherby herausgefunden? Und über unsere geheimnisvolle Schwester Janis?«
Eustache Chapuys nickte, erwiderte jedoch: »Hier ist weder Ort noch Zeit dafür.«
Nick sah ihn scharf an, bedrängte ihn aber nicht. »Wann reitet Ihr in die Stadt zurück?«
»Sobald die Höflichkeit es erlaubt.«
»Dann werde ich Euch begleiten.«
»Einverstanden.« Doch es klang reserviert.
»Kommt nicht auf die Idee, mir zu entwischen, Chapuys.«
Das Hochzeitsbankett bestand aus fünf Gängen, zu denen jeweils etwa ein Dutzend verschiedener Speisen aufgetragen wurde, und Nick stellte fest, dass sein Bruder in einem Punkt zumindest nicht übertrieben hatte: Es war kaum zu fassen, welche Berge von Kuchen und Süßspeisen Henry in sich hineinschaufelte. Dass er seiner Braut hin und wieder einen Löffel hinhielt, um sie kosten zu lassen, war ein echter Liebesbeweis, schloss Nick mit einem verstohlenen Grinsen. Er selbst langte indessen auch ordentlich zu, denn das Essen war hervorragend.
Das galt auch für die Musik. Der König hatte eine Schar von Spielleuten aus Venedig engagiert, die, wie Chapuys Nick erklärte, alle zu einer gewissen Familie Bassano gehörten. »Es sind Juden«, fügte er hinzu. »Auf die Art konnte Henry sicher sein, dass sie nicht für den Papst spionieren, und davon abgesehen …«
»Was ist das für eine seltsame Fidel, die der junge Mann da rechts spielt?«, unterbrach Nick. »So etwas Wundervolles habe ich noch nie gehört.«
»Ich glaube, man nennt sie Violine«, antwortete der allwissende Chapuys.
Nick lauschte gebannt, der Fasanenschenkel auf seinem Teller war vergessen.
Als das Bankett sich dem Ende zuneigte, wurde ein Lord nach dem anderen aufgefordert, an die hohe Tafel zu treten, um der Königin zu huldigen. Nick hatte inzwischen Routine darin, denn er tat es zum dritten Mal.
Er sank vor der kleinen Königin mit den großen wasserblauen Augen auf ein Knie und sprach die uralte Eidformel. Als er geendet hatte, streckte sie ihm lächelnd die Linke entgegen: »Habt Dank, Lord Waringham.« Doch mehr sagte sie nicht, hielt ihn nicht zurück, um einen Moment mit ihm zu plaudern, wie mit dem Earl of Hertford oder mit Baron Lisle vor ihm. Norfolk hatte seine kleine Nichte gut abgerichtet, schloss Nick.
Notgedrungen verneigte er sich vor dem Bräutigam. »Möge Euch und der Königin Glück und Gottes Segen beschieden sein, Majestät.«
Henry nickte ihm frostig zu, doch unwillkürlich lächelte er, als sein Blick zu seiner jungen Königin zurückkehrte, und er fand sich offenbar genötigt, seinen anhaltenden Groll auf Nick für den Moment zu vergessen. »Sie ist ein wahres Gottesgeschenk«, vertraute er ihm an. »Eine Rosenknospe ohne Dornen.«
Alle Rosen haben Dornen, fuhr es Nick durch den Kopf, aber er hütete seine Zunge.
»Und sie versteht es, einem alten König eine zweite Jugend zu bescheren«, fügte Henry hinzu und zwinkerte ihm zu. »Sie wird mir viele Prinzen und Prinzessinnen schenken, Mylord.«
Nick fand es befremdlich, um nicht zu sagen widerlich, dass der König plötzlich so vertraulich tat, doch er antwortete: »Das wird ein großes Glück für England sein, Majestät.«
Henry entließ ihn mit einem Wink, weil sich hinter Nick ein kleiner Stau wartender Lords gebildet hatte. Erleichtert machte Nick ihnen Platz und fragte sich, wie irgendwer an der hohen Tafel auch nur einen Bissen herunterbekam bei dem süßlichen Fäulnisgeruch, den der König verströmte.
Die venezianischen Musiker spielten eine Gaillarde, und der Duke of Suffolk hatte Mary zum Tanz geführt. Nick stand mit dem Rücken an die Wand gelehnt und schaute ihnen zu. Die Höflinge hatten reichlich Übung, ihre Sprünge und Schritte waren alle im Gleichtakt und wirkten anmutig. Seide, Brokat und Juwelen funkelten im Schein der zahllosen Kerzen. Es war ein schönes Bild voller Pracht.
Noch ehe die Musik endete, machten Suffolk und Mary bei ihm halt.
»Wie wär’s, wenn du mich
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