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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Bergfrieds. Er fand es nie schwierig, zwischen Mörtelstaub und Büchern ein wenig Zufriedenheit und Ruhe zu finden.
    »Bist du denn nicht einsam?«, fragte seine Schwester verständnislos, für die ein Leben weit weg von Philipp und ihren Kindern unvorstellbar gewesen wäre.
    Nick tat erstaunt. »Wieso einsam? Wenn ich Gesellschaft suche, brauche ich nur einmal über den Hof oder ins Gestüt zu gehen.« In Wirklichkeit fühlte er sich in Waringham neuerdings oft einsam. Aber welchen Sinn hätte es gehabt, das zuzugeben? Es hatte nichts mit der Tatsache seines Alleinseins zu tun, sondern nur damit, dass Janis Finley nicht dort war.
    Wie an jedem letzten Sonnabend im Monat versammelten sie sich an Nathaniel Durhams genussreicher Tafel. Der Vorwand für diese regelmäßigen Zusammenkünfte war, über die Belange der Krippe zu sprechen, die aber gar keine so regelmäßigen Treffen erforderten. In Wahrheit genossen sie es einfach, beisammenzusitzen und sich über alles Mögliche auszutauschen, und Nick, der sich an diesem Abend vornehmlich aufs Zuhören beschränkte, dachte bei sich, dass sogar Lady Meg und der grimmige Master Durham in dieser Runde auflebten.
    Die Glocken der umliegenden Kirchen läuteten, um das Schließen der Stadttore anzuzeigen. Vor den großen Fenstern der Halle war es dunkel geworden, und der unablässige Lärm auf der Straße war nahezu verstummt, als John sich räusperte und seltsam förmlich verkündete: »Liebe Freunde, es gibt etwas, das ich euch sagen möchte.«
    Nick und Philipp wechselten einen verwunderten Blick. Laura und Lady Meg tauschten ein Lächeln, und letztere murmelte: »Hast du wieder einmal ein Wunder gewirkt, Gott? Er will endlich heiraten?«
    John grinste verlegen, aber er nickte. »Es ist wahr, Lady Meg.«
    »Wen?«, fragte Nick gespannt.
    »Raus damit, mach’s nicht so spannend«, drängte Philipp gleichzeitig.
    Und selbst der sonst so wortkarge Master Durham gestattete sich ein: »Spannt uns nicht auf die Folter, Doktor.«
    Der hob beide Hände, als wolle er ihre Neugierde wie einen Vorhang beiseite schieben. »Ihr kennt sie sowieso nicht. Ihr Name ist Beatrice d’Annecy.«
    »Ach, du meine Güte – eine Französin«, entfuhr es Laura.
    »Lass sie das ja nicht hören«, widersprach John. »Sie ist hier aufgewachsen, aber ihre Familie stammt aus Savoyen. Dort spricht man zwar Französisch, ist den Franzosen aber keineswegs freundlich gesinnt, die das arme Savoyen wieder einmal besetzt halten.«
    »Wo in aller Welt liegt Savoyen?«, wollte Philipp wissen.
    »An der Südostgrenze Frankreichs.«
    »Und wer sind ihre Eltern?«, fragte Lady Meg in aller Unschuld, aber Johns strahlendes Lächeln verblasste für einen Moment, und er antwortete: »Nun, um die Wahrheit zu sagen, es ist … heikel. Ich will vor euch kein Geheimnis daraus machen, aber ich bitte um eure Diskretion.«
    »Oh, das klingt vielversprechend …«, murmelte Laura, und es funkelte mutwillig in ihren Augen.
    John trank einen Schluck und suchte anscheinend immer noch nach den rechten Worten.
    Nick beugte sich ein wenig vor und legte ihm kurz die Hand auf den Arm. »Nun komm schon, Mann. So eine Katastrophe ist es auch wieder nicht.«
    »Was?«, fragte sein Cousin verdattert. »Woher willst du wissen …?«
    »Ich bin ihr einmal im Haus ihres Vaters begegnet. Er hat mir nicht gesagt, wer sie ist. Aber es war irgendwie … offensichtlich. Und ich weiß, dass er aus Annecy in Savoyen stammt.«
    »Wer?«, fragte Laura, die allmählich ungeduldig wurde. »Ich komme nicht mehr so recht mit. Von wem sprichst du, Nick?«
    John gab sich einen Ruck. »Von Eustache Chapuys. Beatrice ist seine Tochter.«
    »Und warum schleicht ihr dann so um den heißen Brei herum? Ich dachte schon, ihr Vater wäre ein Pferdedieb oder so etwas.«
    »Auf jeden Fall kann man mit ihrem Vater Pferde stehlen«, murmelte Nick vor sich hin und erklärte seiner Schwester dann: »Er ist Priester, Laura.«
    Lady Meg zog erschrocken die Luft ein und sah John kummervoll an.
    Laura machte große Augen. »Wirklich? Ich hatte keine Ahnung …«
    »Nein, man käme niemals darauf«, stimmte John zu. »Aber es ist so. Beatrice’ Mutter ist eine Dame aus der Nähe von Turin. Eine äußerst vornehme Dame. Und das war der eigentliche Grund, warum Chapuys in den diplomatischen Dienst getreten ist: Um möglichst weit weg von der Rache ihres Vaters zu sein. Sie lebt zurückgezogen in seinem Haus, seit zwölf Jahren hier in England. Und vermutlich gibt es

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