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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Kinder kämpfen. Ich kenn mich mit rechtlichen Sachen nicht aus – ich weiß nicht, welche Schlupflöcher du finden könntest, um Francis um sein Erbe zu betrügen …« Sie geriet ins Stocken.
    »Nur weiter. Du scheinst zu glauben, du hättest einen Trumpf im Ärmel. Spiel ihn aus; ich brenne vor Neugier.«
    »Ich will, dass du ein Testament machst, in dem du Francis als deinen Erben anerkennst. Setz es auf, lass es von deinem Hauskaplan bezeugen, und vergiss dein Siegel nicht. Aber komm nicht auf die Idee, eine Seite aus der Bibel abzuschreiben und dein Siegel darunterzusetzen, weil du meinst, ich kann nicht lesen. Ich hab heimlich mit Francis zusammen lesen gelernt. Also versuch lieber nicht, mich für dumm zu verkaufen. Mach dieses Testament und bring es mir.« Sie brach wieder ab und sah ihn verstohlen an.
    Er erkannte, dass sie sich vor seinem Zorn fürchtete, und das beschämte ihn im gleichen Maße, wie es ihn mit bösen Vorahnungen erfüllte. »Andernfalls?«, fragte er.
    »Schick ich dem Duke of Norfolk einen Brief und sag ihm, dass die Nonne, die seinen Bruder – den Vater der Königin  – umgebracht hat, in deinem Londoner Waisenhaus als Lehrerin Unterschlupf gefunden hat.«
    Nicks Herzschlag beschleunigte sich, und er spürte, wie ihm das Blut aus den Wangen wich, aber er klammerte sich an seine Maske der Gelassenheit. »Ich fürchte, ich kann dir nicht ganz folgen.« Scheinbar seelenruhig streckte er die Hand nach dem Zinnkrug aus und schenkte sich einen Schluck Wein ein. »Soweit ich mich entsinne, starb der Vater der Königin an einem Fieber.«
    Polly nickte. »Beim Sturm auf ein gewisses Landgut in Yorkshire holte er sich eine Beinverletzung. Die Wunde wurde brandig, er bekam Fieber und starb.«
    »Das sieht ihm ähnlich. Er überfällt eine Schar wehrloser Nonnen und schafft es, eine tödliche Verletzung davonzutragen …«   
    »Du weißt also, von welchem Gut ich spreche«, stellte Polly fest. Ihr Gesicht war angespannt, die Stirn gerunzelt.
    »Schon möglich. Aber wie kommt es, dass du davon weißt? Und was bringt dich auf den Gedanken, ausgerechnet unsere Schwester Janis könnte diesen Halunken Howard verletzt haben?«
    »Unsere Schwester Janis«, wiederholte sie bitter. »Wohl eher deine Schwester Janis. Ich hab’s geahnt, und ich hatte recht; ich seh’s dir an. Wir hören hier sehr viele Dinge, Mylord. Dieser Hof mag sich immer in abgeschiedenen Palästen aufhalten, aber der kleine Prinz bekommt viel Besuch. Vor ein paar Monaten zum Beispiel kam der Duke of Norfolk, brachte dem Prinzen einen kostbaren goldenen Messkelch als Geschenk mit und erzählte, der Kelch stamme aus dem Benediktinerinnenkloster in Wetherby. Die Nonnen hätten ihn nach der Aufhebung ihres Klosters beiseitegeschafft und mit auf das Landgut ihrer Äbtissin genommen. Als sein Bruder im Auftrag der Krone hinritt, um höflich darum zu bitten, sei eine der Nonnen mit dem Dolch auf ihn losgegangen, und deswegen sei die arme Königin jetzt ein Waisenkind. Keine Woche später besucht Chapuys Lady Mary und schwärmt ihr von einer Nonne aus Wetherby vor, die die Mädchen in deinem Waisenhaus unterrichtet. Der Name ›Wetherby‹ ist mir aufgefallen, weil ich ihn eben kurz vorher erst gehört hatte. Ich hab natürlich keine Ahnung, ob deine Nonne diejenige ist, die Edmund Howard auf dem Gewissen hat. Aber du und ich wissen, dass das Norfolk und dem König völlig egal wäre. Du und ich wissen, was mit deiner Schwester Janis passiert, wenn ich Norfolk verrate, dass es sie gibt und wo er sie findet.«
    Nick lauschte ihr gebannt. Als sie verstummte, trank er einen Schluck, damit sie nicht sah, was sie in ihm ausgelöst hatte. Die distanzierte Zuneigung, die er bislang für seine Frau gehegt hatte, war mit erschütternder Plötzlichkeit in Abscheu umgeschlagen. Und in Zorn. Dieser Zorn war so groß, übte solche Macht über ihn aus, dass Nick einen Moment glaubte, er müsse aufspringen und die Hände um ihre Kehle legen. Aber er beherrschte sich und blieb, wo er war. Weil er wusste, dass er sie jahrelang schamlos ausgenutzt hatte? Weil er anerkannte, dass sie nur das Recht ihres Sohnes schützen wollte, so fragwürdig ihre Mittel auch waren? Oder nur deshalb, weil seine Frau zu erwürgen etwas war, das ein Waringham niemals tat?
    Er wusste es nicht.
    Als er einigermaßen sicher war, dass er sich wieder trauen konnte, sagte er: »Du hast nur eine Kleinigkeit vergessen: Das Testament, das du forderst, könnte ich mühelos

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