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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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nicht helfen. Niemand kann das. Außer dem König vielleicht, aber ich schätze, der hat wenig Interesse daran. Darum solltet Ihr schleunigst von hier verschwinden, Nicholas of Waringham. Gesünder für Euch, glaubt mir.«
    Und noch ehe Nick eine der vielen bangen Fragen stellen konnte, die ihn bedrängten, wandte der Fremde sich ab und verschwand.
    Langsam und mutlos kehrte der Junge in den Innenhof zurück, ließ sich von der Menge treiben, wurde angerempelt und beiseite geknufft und wusste nicht, was er tun sollte. Ziellos streifte er durch Höfe und Gärten in der vagen Hoffnung, vielleicht die Kapelle zu finden und dort auf Sir Thomas zu warten. Stattdessen entdeckte er eine Kegelbahn, einen Tennishof und landete schließlich in der größten Küche, die er je im Leben gesehen hatte, wo viele Dutzend Köchinnen, Köche, Mägde und Küchenjungen mit den Vorbereitungen für das abendliche Bankett des großen Hofes beschäftigt waren, während Maurer und Zimmerleute zwischen ihnen einhergingen, hämmerten und sägten. Offenbar wurde die Küche vergrößert. Was der König und die verwöhnten Höflinge wohl davon hielten, Mörtelstaub und Sägespäne im Erbsenpüree zu finden? Ein unfreundlicher Mann in einer blutverschmierten Schürze warf Nick hinaus und hieß ihn, gefälligst in der Halle zu warten, bis dort aufgetragen wurde.
    Allmählich kam er sich vor wie in einem Albtraum, und er fragte sich, wozu der König draußen in den Parkanlagen einen Irrgarten hatte anpflanzen lassen, wo der Palast selber doch schon reichlich Gelegenheit bot, um verloren zu gehen. In seiner Ratlosigkeit und Verwirrung machte der Junge sich tatsächlich auf die Suche nach der großen Halle, und auf dem Weg dorthin gelangte er in einen neuerlichen Innenhof. Dieser war weitläufig und von Mauern mit vielen Fenstern umgeben, die offenbar zu Wohnquartieren gehörten. Doch beherrscht wurde der Hof von einem imposanten Uhrenturm.
    Blinzelnd sah Nick an dem Turm hinauf, der Kardinal Wolseys Wappen in unbescheidener Größe zeigte. Die Dunkelheit brach herein, stellte der Junge fest, und gerade als er sich fragte, wo er wohl die Nacht verbringen konnte, erstarrte das hektische Einherhasten um ihn herum, und alle Leute, die sich zufällig gerade hier aufhielten, verneigten sich tief. Nick folgte ihrem Beispiel. Durch die Gasse, die die Menschen bildeten, kam eiligen Schrittes ein Paar. Der bärtige Mann trug einen eleganten flachen Hut mit einer Pfauenfeder, ein Wams aus Goldbrokat mit eingestickten Lilien und eine passende pelzbesetzte Schaube, deren halbe Ärmel bauschiger waren als alle, die Nick je gesehen hatte. Doch weder die feinen Kleider noch die imposante Erscheinung konnten über seinen hinkenden Gang hinwegtäuschen. Die junge Frau an seiner Seite trug das dunkle Haar in einem funkelnden Netz aus Silbergarn und Edelsteinen, ein üppig mit Perlen besticktes grünes Seidenkleid und zu viele Juwelen. Der Anblick blendete einen nahezu.
    Als sie an ihm vorbeirauschten, wusste Nick plötzlich, was er zu tun hatte, und fiel auf die Knie. Er wagte nicht, den Blick zu heben, aber er sagte: »Vergebt mir, Euer Gnaden …«
    »Was?« König Henry hielt inne und wandte sich verdutzt um. Dann fragte er Nick ungläubig: »Hast du das Wort an mich gerichtet?«
    Der junge Waringham nahm seinen Mut zusammen und schaute auf. »Ich bitte um Verzeihung, Majestät. Ich bin …«
    »Da hol mich doch der Teufel!«, fiel einer der Männer im Gefolge des Königs ihm ins Wort. »Hier steckst du also, du Lump!« Er trat einen Schritt vor, sodass er halb zwischen Nick und dem König stand, und verneigte sich mit einem zerknirschten Lächeln vor Letzterem. »Ich hoffe, Ihr übt Nachsicht, Majestät. Er meinte mich, nicht Euch. Der Lümmel ist der Sohn meines Kastellans und steht erst seit Kurzem in meinen Diensten. Er weiß noch nicht so recht, was sich gehört und was nicht.«
    »Also wirklich, Charles«, knurrte der König, würdigte Nick keines weiteren Blickes, sondern führte seine Begleiterin weiter – so hastig, dass die junge Dame um ein Haar gestolpert wäre. Kein Zweifel, der König war hungrig.
    Das Gefolge eilte ihnen nach. Nur der Mann, der Nick unterbrochen und behauptet hatte, sein Dienstherr zu sein, stand immer noch vor ihm. Der Junge sah nur seine feinen Halbschuhe und die weißen Hosenbeine, denn er wagte nicht, den Kopf zu heben.
    Nachdem der König das Gebäude betreten hatte, welches, wie Nick später herausfand, die große Halle war,

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