Der dunkle Thron
unzertrennlich – saßen in ein offenbar ernstes Gespräch vertieft am äußeren Ende der hohen Tafel, vor sich auf dem Tisch ein vergessenes Virginal.
»Ah, da ist sie ja«, bemerkte Mary zufrieden. »Lady Katherine?«
Nick wandte sich ihr wieder zu, als eine elegante Dame, die etwa in seinem und Marys Alter war, gemessenen Schrittes zu ihnen trat.
»Lord Waringham, dies ist Katherine Parr, Lady Latimer. Lady Katherine: der Earl of Waringham.«
Nick verneigte sich. »Lady Katherine.«
Sie knickste. »Eine Ehre, Mylord.«
Mit untypischer Vertraulichkeit ergriff Mary ihren Arm und hängte sich bei ihr ein. »Lady Katherine ist eine schreckliche Reformerin, Mylord«, raunte sie Nick zu. »Aber ich kann nicht anders, als ihr zu vergeben, denn endlich habe ich eine Dame gefunden, die so viel Freude an lateinischer Dichtung hat wie ich.«
Er lächelte. »Eure Bildung und Euer Kunstverstand müssen in der Tat groß sein, Lady Katherine, wenn Lady Mary Euch Toleranz in Religionsfragen entgegenbringt. Das tut sie sonst nie.«
»Ich weiß, Mylord«, gab Katherine Parr ein wenig spröde zurück. »Und das gehört zu den vielen Eigenschaften, die ich an ihr schätze: Sie hält unerschütterlich an ihren Grundsätzen fest.«
Er nickte. Mehr brachte er für den Augenblick nicht zustande, denn ihr Benehmen machte ihn sprachlos. Es war nicht gerade üblich für eine Hofdame, den Charakter einer Tochter des Königs zum Gesprächsgegenstand zu machen. Aber Nick fasste sich schnell. »Ich könnte mir vorstellen, dass das Gleiche für Euch gilt.«
Zum ersten Mal lächelte sie. »Da habt Ihr recht, Mylord«, räumte Katherine Parr ein. »Ich fürchte, manchmal bin ich gar zu eifrig in meinen reformerischen Überzeugungen, und ich gestehe, bislang habe ich Papisten gemieden, soweit ich konnte.« Er zuckte bei dem Wort fast unmerklich zusammen, aber keine der Damen schien es zu bemerken. »Anders als Ihr«, fuhr Lady Katherine fort. »Lady Mary hat mir erzählt, dass Ihr kein Freund der Reform seid, aber dennoch reformerische Ideen unterstützt und mit Reformern zusammen ein Waisenhaus gegründet habt.«
Nick hob abwehrend die Hand. »Ganz falsch, Madam. Erstens bin ich einer Reform der Heiligen Mutter Kirche gegenüber durchaus aufgeschlossen, denn sie hat sie bitter nötig, aber ich lehne Englands Loslösung von Rom und die meisten Eurer sonderbaren evangelikalen Glaubenslehren ab. Zweitens habt nicht ihr Reformer die tätige Nächstenliebe ersonnen, sondern Jesus Christus, der sie uns wahre Christen schon gelehrt hat, ehe ihr Reformer auch nur erfunden wart. Und drittens folgen wir in unserem Waisenhaus dem, was Erasmus und Thomas More uns gelehrt haben, nicht Martin Luther und William Tyndale oder sonstige Wirrköpfe.«
»Erasmus und Luther sind zwei Seiten derselben Medaille«, behauptete Katherine Parr ungerührt.
Nick musste lachen. Ihm ging durch den Kopf, dass solch eine ungeheuerliche Behauptung ihn vor einem Monat noch wütend gemacht hätte, aber seit Janis nach Waringham gekommen war, war er zu glücklich, um sich über irgendetwas angemessen zu erregen. »Ich bin keineswegs sicher, ob auch nur einer der beiden Euch recht geben würde, Lady Katherine.«
»Spart Euch die Mühe, sie bekehren zu wollen, Mylord«, warf Mary seufzend ein. »Es reicht ja, wenn ich meine Zeit damit verschwende.«
Nick konnte kaum fassen, wie gelöst sie wirkte, wo ihre Verbissenheit, ihre Unerbittlichkeit in Glaubensfragen ihm früher manches Mal Angst gemacht hatten. Es war beinah, als wäre sie ebenso glücklich wie er …
»Ah, und hier kommt meine Überraschung!«, rief Mary, und ihre braunen Augen strahlten voller Wärme, als eine weitere Dame zu ihnen trat. Sie war wesentlich älter als Mary und ihre Hofdame; das Haar unter der altmodischen Giebelhaube war eisgrau, die Figur in dem schlichten, aber eleganten Kleid ziemlich füllig. »Lord Waringham, erlaubt mir, Euch Susanna Horenbout vorzustellen.«
Irgendetwas Seltsames durchzuckte Nick – er wusste nicht, ob Schrecken oder freudige Überraschung. Er warf Mary einen kurzen Blick zu, dann verneigte er sich vor der flämischen Dame. »Es vergeht kein Tag, ohne dass ich mich an dem Gemälde meiner Mutter erfreue, das Ihr geschaffen habt, Madam.«
»Sie war ein hoffnungsloses Modell«, entgegnete die Malerin mit einem nostalgischen Lächeln. »Sie konnte einfach nicht stillstehen und wollte immerzu davonlaufen, um irgendetwas furchtbar Wichtiges zu tun.«
»Vielleicht
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