Der dunkle Thron
erstickt. »Ich hatte so gute Vorsätze, nicht zu heulen.«
»Schon gut«, erwiderte Nick leise. »Ich hab auch geheult, als mein Vater hier gestorben ist, und ich war über zwei Jahre älter als du.«
Wie er gehofft hatte, tröstete dieses Bekenntnis den Jungen. Francis beruhigte sich, lockerte seinen Klammergriff um Nicks Hals und sah zu ihm hoch. »Hast du Angst?«
»Nein«, log Nick.
»Wird es wehtun?«
»Ich schätze nicht.« Es sei denn, Rich hat mir einen nervösen Anfänger als Scharfrichter ausgesucht. Und er fragte sich, was Norfolk wohl bei dem Gedanken an den nächsten Morgen empfinden mochte, war er es doch gewesen, der damals Cromwells Henker ausgewählt hatte.
Nick nahm den Jungen bei der Hand. »Ich möchte, dass du mir jetzt genau zuhörst, mein Sohn.«
»Ja, Sir.«
»Du darfst den König nicht hassen für das, was mit mir geschieht. Er ist alt und krank und hat keine Macht mehr über seinen Kronrat.«
»Das sagst du nur, damit ich nicht in deine Fußstapfen trete so wie du in Großvaters«, argwöhnte Francis.
Aber Nick schüttelte den Kopf. »Der Unterschied zwischen dir und mir ist, dass du deine Hoffnungen auf Prinz Edward setzen kannst. Auf die Zukunft, Francis. Er war dein Freund, als ihr klein wart, und deine Mutter wird seinem Haushalt verbunden bleiben. Du weißt, dass du Waringham verlierst, nicht wahr?«
Francis nickte, und Nick sah, wie die Wangenmuskeln des Jungen sich verkrampften, weil er so fest die Zähne zusammenbiss.
»Hol es dir zurück, wenn du kannst. Tritt in Edwards Dienst und sei an seiner Seite. Mach einen Neuanfang. Mit ihm hast du die Chance dazu.«
»Was immer du wünschst«, antwortete der Junge erstickt.
Aber Nick schüttelte den Kopf. »Das reicht nicht.« Er legte einen Finger unter Francis’ Kinn und hob das Gesicht des Jungen. » Du musst es wollen. Nichts an dieser ganzen Misere ist Prinz Edwards Schuld. Und du bist von so großzügiger Natur, Francis. Lass nicht zu, dass Bitterkeit dein Verhältnis zu Edward trübt.«
Francis dachte einen Moment nach, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Dann nickte er. »Also gut. Du hast mein Wort.«
Erleichtert strich Nick ihm kurz über den Schopf. »Vergiss es nicht.«
»Nein.«
»Dann … lass uns zum Ende kommen, es wird sonst nur immer schwerer.«
Francis schlang die Arme wieder um seinen Hals, und seine Schultern bebten.
Nick musste selbst die Augen zukneifen, legte die Hände um Francis’ Handgelenke und befreite sich behutsam. Dann küsste er seinen Sohn auf die Stirn. Er lächelte, aber er brachte keinen Ton heraus.
Mit schleppenden Schritten ging Francis zum Ausgang und schlüpfte hinaus. Lautlos schloss sich die Tür, und Nick war dankbar, dass ihm ein Augenblick blieb, um die Fassung wiederzufinden. Er lief zwei-, dreimal im Kreis, dann blieb er neben der Truhe stehen, presste die Handballen gegen die Schläfen und trat mit aller Macht gegen das hölzerne Möbelstück. Trotz ihres Gewichts rutschte die Truhe ein Stück zur Seite, und Nicks Fuß schmerzte höllisch. Aber das Manöver hatte seinen Zweck erfüllt.
Er ging zur Tür, öffnete und fand sich Auge in Auge mit Janis. Sie hielt ein schlafendes Kind im Arm, und kaum war sie über die Schwelle getreten, streckte sie es ihm entgegen. »Isaac.«
Er nahm ihn ungeschickt, hielt ihn in beiden Armen und blickte auf ihn hinab. Isaacs Haar hatte die Farbe von Honig, er hatte die Wangenknochen seiner Mutter geerbt, aber ein Waringham-Kinn. »Was hat er für Augen?«, fragte er flüsternd.
»Meine, glaub ich. Es ist schwer zu sagen.«
Nick trug Isaac zum Bett, legte ihn darauf ab, setzte sich auf die Kante und klopfte einladend neben sich.
Doch Janis blieb vor ihm stehen. »Wie kommt es, dass du mir vergeben hast? Ich dachte, gerade dir müsste meine Unaufrichtigkeit unverzeihlich erscheinen.«
»Ungefähr ein halbes Jahr lang«, räumte er ein. »Dann bin ich eines Morgens aufgewacht und hatte begriffen, dass du mich angelogen hast, um mich zu schützen. Das war ein irrsinniger Gedanke, und ich bin immer noch nicht sicher, wie ich darauf gekommen bin. Vielleicht hat der Wolf, der mein Käfignachbar war, ihn mir eingeflüstert.« Er streckte die Hand aus. »Komm her. Wir haben nur ein paar Minuten. All das ist nicht mehr von Belang. Und lass uns versuchen, nicht zu heulen, was meinst du?«
Sie schafften es nicht ganz. Eng umschlungen saßen sie auf Nicks Bett und küssten sich und redeten und küssten sich wieder und schwiegen ein Weilchen,
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