Der dunkle Thron
soll …«
»Wir werden ja sehen, wie lächerlich es ist«, konterte Philipp grimmig. »Es ist das, was Northumberland will, denn er hat Lady Jane vorausschauend mit seinem Jüngsten verheiratet. Northumberland will einen Enkel auf dem Thron, Nick. Und die Vergangenheit hat gezeigt, dass in England genau das geschieht, was Northumberland will.«
Nick schnaubte verächtlich. »Ich entsinne mich, es gab schon einmal einen über die Maßen ehrgeizigen englischen Lord, der einen Enkel auf dem Thron wollte. Sie nannten ihn den Königsmacher. Doch er endete mausetot, splitternackt und von seinen Feinden bepinkelt – pardon, Madam – auf einem nebligen Schlachtfeld mitten im Nirgendwo. Und heute ist er vergessen.«
»Weil es gleich ein halbes Dutzend männlicher Thronanwärter gab, die einen besseren Anspruch hatten. Das ist hier und heute anders. Es gibt keinen einzigen männlichen Thronanwärter, Nick.«
»Aber ein halbes Dutzend weiblicher mit einem besseren Anspruch als Jane Grey. Ihre eigene Mutter, zum Beispiel. Warum nehmen sie die nicht?«
»Weil Lady Frances nur Töchter hat, Jane aber noch Söhne bekommen kann.«
»Ah, verstehe. Sie nehmen eine Frau, weil sie keine Frau auf dem Thron wollen. Aber auch die kleine Königin von Schottland hätte einen besseren Anspruch, denn ihre Großmutter war eine ältere Schwester von Lady Janes Großmutter. Ganz abgesehen davon, dass der König mit Mary und Elizabeth zwei Schwestern hat, die jeden anderen Thronanspruch zu einem rein akademischen Gedankenspiel machen. König Henry hat in seinem Testament bestimmt, dass seine Töchter Edward auf den Thron folgen sollen, falls der ohne Nachkommen stirbt, Philipp. Dieses Testament hat das Parlament anerkannt. Und damit basta , wie die Leute in Italien sagen.«
»Ich glaube nicht, dass das ein Thema ist, das wir hier erörtern sollten, mehr oder minder auf offener Straße«, sagte Laura warnend, die ebenfalls hinzugetreten war.
»Wohl wahr«, stimmte Nick zu. »Ich hole John. Lasst uns nach Hause gehen.«
Die Halle mit den vielen Büchern in dem Haus an der Shoe Lane war in helles Sommerlicht getaucht, das den ersten Messington der Dämmerung annahm, als sie dorthin gelangten.
John schickte die Magd weg und übernahm es selbst, die Gläser zu füllen. »Philipp hat recht, Nick«, befand er. »Das alte Thronfolgegesetz und König Henrys Testament werden nichts nützen. Was Northumberland hier aus dem Hut gezaubert hat, ist de facto ein Staatsstreich. Nicht sein erster, wie du weißt. Er ist mit dem Sturz der Seymour-Brüder damals durchgekommen, weil es niemanden gab, der ihm Widerstand hätte leisten können, und weil der König Wachs in seinen Händen war. Genauso ist es jetzt wieder, und darum wird Northumberland seine Schwiegertochter auf den Thron hieven. Unangefochten.«
»Sei nicht so sicher«, grollte Nick.
Sein Cousin hob ergeben die Hände. »Aber der gesamte Kronrat hat das Testament abgesegnet.«
»Dann hat der gesamte Kronrat gegen das Gesetz verstoßen«, erwiderte Nick unbeeindruckt. »Mary steht die Krone nach dem Erbrecht und dem Testament ihres Vaters zu, und daran kann auch ein Northumberland nicht rütteln.« Er hob sein Glas, trank einen Schluck, stellte es wieder ab und stand auf. »Ich reite zu ihr.«
»Was, jetzt?«, fragte Johns Gemahlin Beatrice entgeistert. »Es wird gleich dunkel.«
»Aber es ist fast Vollmond.«
Nick wollte sich abwenden, doch Laura hatte sich ebenfalls erhoben und die Hand auf seinen Arm gelegt. »Warte, Nick.«
»Worauf? Dass Northumberland seine Mordbuben nach Hunsdon schickt, um die ahnungslose rechtmäßige Thronerbin aus dem Wege räumen zu lassen?«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass er das tut«, widersprach seine Schwester.
»Das hast du bei Cromwell auch gesagt, und du hast dich getäuscht.«
»Ich habe Cromwell niemals in Schutz genommen«, widersprach sie aufgebracht. »Aber du musst den Dingen ins Auge sehen, Nick: England hat sich seit König Henrys Tod verändert. Die Reform ist vollendet, mit allen politischen Konsequenzen. Ich weiß, dass dir das nicht gefällt, aber niemand will eine Königin auf dem Thron, deren oberstes Bestreben es sein wird, alles rückgängig zu machen, was die Reformer im Laufe der letzten sechs Jahre erreicht haben, und England wieder der Willkür des Papstes und seiner korrupten Kirche zu unterstellen.«
»Nein?« Nick zog eine Braue in die Höhe. »Geh die Straße hinunter zu den Wirtshäusern und Handwerksläden,
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