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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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aufgelöst wurde, und den Mädchen in der Krippe nicht nur das Alphabet beibrachte, sondern allen Kindern als Ersatzgroßmutter diente. Auf ihre ganz eigene Art war sie die Seele der Krippe, so wie Janis es einst gewesen war.
    »Sie ist heute Nachmittag mit meiner Schwester beim Schneider, aber sie wird euch morgen besuchen. Wir bleiben ein paar Tage in der Stadt.«
    »Gut. Die Kinder werden sich freuen, sie zu sehen.«
    Nick nahm an, sie sagte es eher aus Höflichkeit, denn von den Kindern, die Janis hier betreut hatte, war kein einziges mehr in der Krippe. Die kleine Edith, die als Sechsjährige nach der Ermordung ihres Bruders hier aufgenommen worden war, war der letzte ihrer Schützlinge gewesen und schon vor vier oder fünf Jahren als Näherin im Haushalt der Duchess of Suffolk untergekommen.
    Nick beriet mit Master Gerard, welcher der Jungen für einen der freiwerdenden kostenlosen Plätze in der Schule von Waringham infrage käme, als sein Schwager Philipp Durham und sein Cousin John Harrison den sonnendurchfluteten Speisesaal betraten. Die Kinder erhoben sich und begrüßten ihre beiden anderen Wohltäter höflich im Chor, stöhnten aber vernehmlich, als John verkündete, es sei wieder einmal an der Zeit, alle, die über zwölf waren, zur Ader zu lassen. Das tat er regelmäßig, seit er in einem Buch eines vielbeachteten italienischen Gelehrten gelesen hatte, es sei eine wirksame Maßnahme, um Seuchen vorzubeugen. Vorletzten Winter war in London das Purpurfieber ausgebrochen und hatte auch in der Krippe seinen Tribut gefordert. Die meisten der Kinder erinnerten sich noch daran, wie der Tod umgegangen war und fünf aus ihrer Mitte gerissen hatte. Darum ließen sie Johns Vorsichtsmaßnahmen geduldig über sich ergehen, aber sie sehnten seine Besuche nicht gerade herbei.
    Er führte das halbe Dutzend größerer Kinder Richtung Priorzimmer ab.
    Master Gerard wies auf einen freien Schemel. »Nehmt doch Platz, Master Durham. Es ist noch Eintopf übrig.«
    Aber Philip lehnte ab. »Habt Dank, Master Gerard. Nick, kann ich dich einen Moment sprechen?« Er sagte nicht »unter vier Augen«, aber das war es offensichtlich, was er meinte. Er ist nervös, ging Nick auf, und ihm schwante nichts Gutes, als er seinem Schwager in den Hof hinaus folgte, der jetzt verlassen in der brütenden Nachmittagshitze lag.
    »Was ist passiert?«
    »Vorhin habe ich in der Guildhall den Lord Mayor getroffen, und er hat mir etwas ziemlich Merkwürdiges erzählt«, berichtete Philipp gedämpft und sah kurz über die Schulter, als fürchte er, im Schatten der einstigen Kirche lauere ein Spion. »Der König … hat ein Testament gemacht.«
    Nick verspürte ein plötzliches Durchsacken in der Magengegend. »Das heißt, es geht zu Ende?«
    Philipp nickte.
    Nick bekreuzigte sich. »Nun, dann ist es nur richtig und verantwortungsvoll, dass er seine Angelegenheiten regelt, oder?«
    »Schon. Aber dieses Testament ist etwas ganz Besonderes: Northumberland hat es von einer Schar Richter und anderer Juristen aufsetzen lassen, damit es wasserdicht ist. Der gesamte Kronrat hat es unterzeichnet. Cranmer hat sich am längsten gesträubt, aber heute früh hat auch er unterschrieben, nachdem der König ihm ausdrücklich gesagt hat, dass es sein Wille ist.«
    Da er plötzlich verstummte, fragte Nick stirnrunzelnd: »Weil was sein Wille ist?«
    Philipp Durham sah ihm einen Moment in die Augen – fast eine Spur ängstlich – und atmete dann tief durch. »In dem Testament bestimmt König Edward seine Cousine Lady Jane Grey zu seiner Nachfolgerin und vererbt ihr seine Krone.«
    »Was?« Nick musste lachen.
    Aber Philipp war alles andere als amüsiert. »Lady Mary und Lady Elizabeth seien Bastarde, heißt es in dem Dokument, und könnten deswegen nicht den Thron besteigen. Darum soll Jane Grey Königin werden.«
    »Jane wer?«, fragte Janis verwundert, die mit einem Mal hinter seiner Schulter stand.
    Philipp fuhr leicht zusammen, gab aber bereitwillig Auskunft: »Grey. Ihre Mutter ist Lady Frances Brandon.«
    »Das macht mich kein bisschen klüger«, bekannte Janis.
    Nick erklärte: »Frances Brandon ist die älteste Tochter meines Paten, des Duke of Suffolk, und seiner Gemahlin Lady Mary Tudor, die wiederum König Henrys Schwester war. Mögen sie beide in Frieden ruhen. Wenn es stimmt, dass die Verstorbenen auf uns herabblicken können, bin ich sicher, sie lachen Tränen bei der absurden Vorstellung, dass ausgerechnet ihre Enkelin Königin von England werden

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