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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Mal nicht nur Mary Tudor, die Tochter ihres Vaters, zu sehen, der durch einen kuriosen Irrtum des Schicksals die Krone zugefallen war, sondern er sah die Frau, die sie war.
    »Das wäre in der Tat eine große Ehre, Majestät«, antwortete er.
    Den lieben langen Tag kamen Lords und Stadtväter nach Framlingham, um Mary ihrer Treue und Ergebenheit zu versichern. Sie beeilten sich, damit sie möglichst vor ihren politischen Feinden eintrafen, die sie des Verrats bezichtigen könnten, und am Eingang der Halle hatte sich eine lange Schlange gebildet. Geduldig empfing Mary einen nach dem anderen und hörte sich an, was sie zu sagen hatte. Sie machte keine Versprechungen, die sie nicht zu halten gedachte, schlug auch den Rat des kaiserlichen Gesandten in den Wind, die Protestanten glauben zu machen, sie dürften zur Belohnung für ihre Unterstützung in Zukunft ihre Ketzerreligion weiter ausüben. Das sei es nicht, wozu Gott ihr zu ihrer Krone verholfen habe, erklärte sie, und in Glaubensfragen dürfe es keine Kompromisse geben. Doch ein jeder, den sie empfing, verließ sie mit der tröstlichen Erkenntnis, dass diese Königin Versöhnung wollte, nicht Rache. Dass sie die Gnade Gottes, all ihre Kraft und ihren Tudor-Dickschädel nutzen würde, um England Frieden und Wohlstand zurückzubringen.
    Im Gegensatz zu Mary wurde Nick die Karawane der reumütigen Lords bald unerträglich, und er schlich sich in die Kapelle, um Gott für das Leben seines Sohnes zu danken. Im Innern des kleinen Gotteshauses war es angenehm kühl, und ein Hauch von Weihrauch hing noch in der Luft, denn Pater Miguel hatte an diesem Morgen eine feierliche Messe gehalten. Nick kniete sich rechts des Altars auf den Boden und bekreuzigte sich. Ihm fuhr durch den Kopf, welch eine Erleichterung es war, fortan in eine Kirche gehen und das Kreuz schlagen zu können, ohne argwöhnische Blicke und abfälliges Getuschel zu ernten. Und er ertappte sich bei einer gewissen Schadenfreude, dass es fortan zur Abwechslung einmal die Reformer sein würden, die sich heimlich treffen und nach Lücken im Gesetz stöbern mussten, um ihre Gottesdienste halten zu können. Er fand, so ein bisschen harmlose Schadenfreude müsse ihm wohl zustehen. Aber er nahm sich vor, sich nur eine kleine Weile daran zu erfreuen. Du hast mir meinen Sohn gelassen, Gott, und ich bin hier, um dir zu danken. Du wirst vermutlich denken, dass du mit diesem Wunder wirklich genug für mich getan hast und ich dich für den Rest meiner Tage mit keinen weiteren Bitten behelligen sollte. Eine habe ich trotzdem noch: Mary ist deine treueste Dienerin und wird alles tun, um England zurück in den Hafen deiner Kirche zu führen. Aber erfülle ihr Herz mit Weisheit und Langmut und lass sie erkennen, dass das nicht an einem Tag und auch nicht mit dem Schwert bewerkstelligt werden kann. Das kannst wirklich nur du ihr klarmachen, Gott, denn auf niemanden sonst wird sie in dieser Sache hören …
    »Nicholas?«
    Er fuhr leicht zusammen. Dann bekreuzigte er sich und stand auf. Seine Knie schmerzten, aber er wollte verdammt sein, wenn er sich das anmerken ließ. Ohne Hast wandte er sich um. »Louise.«
    Seine Stiefschwester war immer noch eine gutaussehende Frau, musste er feststellen. Sie trug ein Kleid aus veilchenblauer Seide mit einem eingewebten Rankenmuster und einem hohen Spitzenkragen. Am Halsausschnitt prangte eine Granatbrosche mit einem Perlenanhänger. Die dunklen Augen und das schwarze Haar unter der perlenbesetzten französischen Haube betonten ihre Ähnlichkeit mit ihrer Cousine Anne Boleyn in geradezu gruseliger Weise, sodass Nick ein Schaudern unterdrücken musste.
    »Wo ist Jerome?«, fragte er, um das anhaltende Schweigen zu brechen.
    Louise wies vage zur Kirchentür. »Er steht an, um die Königin zu sprechen.«
    »Kein Grund, so besorgt dreinzuschauen«, versicherte er ihr und rang sich ein Lächeln ab. »Er mag Northumberlands Bruder sein, war aber klug genug, sich in den vergangenen zwei Wochen unsichtbar zu machen.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Er ist hier, um für seinen Neffen zu sprechen. Robin.«
    »Tja.« Nick deutete ein Schulterzucken an. »Robin Dudley kann jede Fürsprache gebrauchen. Sein Kopf wackelt, fürchte ich. Er hat versucht, die Königin auf dem Weg nach Kenninghall zu verhaften, und er hat Jane Grey in King’s Lynn zur Königin ausgerufen. Beides ziemlich unklug, wie sich nun rückblickend herausstellt.«
    »Du hast schon überzeugender gespottet«, bemerkte sie, doch es

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