Der dunkle Thron
kleine Jurist schlug lächelnd ein. »Dudley. Mir scheint, das Landleben bekommt Euch gut.«
»Das ist wahr, Sir. Ein Schluck Wein?«
Zähneknirschend beobachtete Nick, wie sein Freund Cromwell zum bequemsten Sessel geleitete und den schönsten seiner Glaspokale für ihn füllte.
Nick setzte sich ihm gegenüber, verschränkte die Hände auf der Tischplatte und lehnte den Wein ab, den Jerome ihm einschenken wollte. »Setz dich zu uns«, bat er ihn stattdessen.
Was immer Cromwell dieses Mal nach Waringham geführt hatte, Nick wollte es nicht ohne einen verlässlichen Zeugen hören.
Cromwell hob das feine Trinkgefäß, hielt es einen Moment Richtung Fenster, um das Funkeln des Glases zu bewundern, und nahm dann einen kleinen Schluck. Nicks Unhöflichkeit ließ er einfach von sich abperlen. »Man hört, Euer Bruder John bemühe sich um die Rückgabe der Ländereien und Titel Eures Vaters, Dudley«, bemerkte er beiläufig, ohne den Blick von seinem Glas zu wenden.
»Ja, Sir, ich weiß«, gab Jerome zurück.
»Er macht eine ausgesprochen gute Figur. Und er versteht es, sich die richtigen Freunde zu suchen. Ich schätze, dass er bald gute Neuigkeiten bekommt.«
Jerome nickte. Er gab vor, nur mäßig interessiert zu sein, aber Nick schien es, als bekomme die unbekümmerte Maske seines Freundes kleine Risse. Er wusste, mit welch bangen Hoffnungen die Dudleys um die Rückgabe ihrer Titel und die Rehabilitation ihres Vaters kämpften.
»Könnten wir zur Sache kommen, Sir?«, fragte Nick rüde, um Jerome von Cromwells nur scheinbar müßigem Geplauder zu erlösen.
Der einstige Sekretär des ehemaligen Lord Chancellor stellte sein Glas behutsam ab und legte die Hände mit den rundlichen, kurzen Fingern übereinander. »Besitzt Ihr eine Ausgabe von William Tyndales englischer Übersetzung der Bibel, Mylord?«
Nick sah ihn ungläubig an. Er hatte geglaubt, Cromwell sei gekommen, um ihm zu drohen und zu raten, sich nicht noch einmal bei der Königin blicken zu lassen. Es war kein Geheimnis, dass Cromwell auf gutem Fuße mit Lady Anne Boleyn stand und die Scheidungsabsichten des Königs im Parlament unterstützte. Ein Waringham auf Seiten der Königin konnte dieser Fraktion nur ein Dorn im Auge sein, denn ganz gleich, wie jung Nick noch war und wie lange sein Vater in Ungnade gewesen war – die Welt nahm sehr wohl noch zur Kenntnis, wenn ein Waringham politisch Stellung bezog.
»Wie kommt Ihr auf solch einen absurden Gedanken, Sir?«, fragte er. Er konnte nur hoffen, dass seine geheuchelte Verwunderung überzeugend wirkte. Die verbotene englische Bibel lag keine fünf Schritte von ihnen entfernt hinter den Vorhängen seines Bettes, unzureichend unter dem Kopfkissen versteckt. Jeden Abend vor dem Schlafengehen lasen Jerome und er sich gegenseitig ein Stück daraus vor.
»Nun, es schien mir nicht so abwegig. Euer Vater war schließlich nicht gerade für seinen religiösen Konservativismus bekannt, nicht wahr«, gab Cromwell zurück. »Und ich hörte, er habe mit Master Tyndale korrespondiert, seit der auf den Kontinent geflohen ist.«
»Dann wisst Ihr mehr als ich«, antwortete Nick. Es befremdete ihn ein wenig, wie leicht es ihm fiel zu lügen. Auch William Tyndales Briefe an seinen Vater hatten sich in dessen Nachlass befunden, und Nick hatte sie ausnahmslos gelesen, manche mehrmals. »Vermutlich ist es nur Verleumdung. Da der König – und vermutlich auch Ihr – Euer Gewissen damit beruhigen wollt, dass mein Vater ein Ketzer war, wollen all diese Lügen über ihn einfach nicht verstummen.«
»Nick …«, warnte Jerome leise.
Cromwell sah seinen jungen Gastgeber ernst an. »Ich habe Verständnis für Euren Zorn, Mylord. Aber ich bin nicht Euer Feind, und ich war auch kein Feind Eures Vaters, im Gegenteil. Ich habe einige seiner Schriften gelesen. Sein Tod ist ein großer Verlust für die Reformbewegung, zu der auch ich gehöre. Ihr seid jung und könnt deswegen vielleicht noch nicht verstehen, dass man manchmal Dinge tun muss, die man verabscheut, um einem großen Ziel zu dienen. Aber ich schwöre Euch, niemals ist mir etwas schwerer gefallen, als hierherzukommen und Euren Vater zu verhaften.«
Nick glaubte ihm kein Wort, und ihm wurde ganz flau vor Wut. »Man kann Euch nur gratulieren, wie tief Ihr Eure wahren Gefühle zu verbergen versteht, Sir.«
Cromwell unterdrückte ein Seufzen, sah ihm einen Moment in die Augen und nickte langsam. »Also gut. Ich merke, ich kann Euch nicht überzeugen. Dennoch bitte
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