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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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hat mir ihre Tochter anvertraut«, sagte er. »Und es hat sich so gefügt, dass die Prinzessin wie eine Schwester für mich geworden ist. Versteht Ihr, was ich meine? Sie ist mir … heilig.« Er seufzte. »Vermutlich wird mir das kein Mensch glauben.«
    »Doch, ich bin durchaus geneigt, Euch zu glauben«, widersprach Chapuys unerwartet. »Aber entscheidend ist, was der König glaubt. Was wiederum davon abhängt, was das Luder ihm einflüstert. Und Ihr dürft getrost davon ausgehen, dass Anne Boleyn hier einen Spion hat.«
    »William Orford, den Steward?«, tippte Nick. »Seine Mutter war eine Butler, genau wie Lady Annes Großmutter.«
    »Hm, ich weiß.« Der Gesandte nickte versonnen. »Aber wenn ich eine Wette abschließen sollte, würde ich mein Geld eher auf die Kammerzofe der Prinzessin setzen.«
    »Lucy Preston?«, fragte Nick fassungslos.
    »Schsch«, mahnte Chapuys. »Bei solchen Themen ist man immer gut beraten, leise Töne anzuschlagen, Lord Waringham. Ja, ich bin sicher, dass sie Anne Boleyns Spitzel ist, denn sie stammt aus Hever in Kent, wo Lady Anne aufgewachsen ist. Also bewahrt einen kühlen Kopf und lasst Euch nichts anmerken, aber überlegt genau, was Ihr in Lucys Gegenwart sagt und tut.«
    »Diesen Rat solltet Ihr lieber der Prinzessin geben, Sir«, erwiderte Nick unbehaglich. »Sie ist diejenige, die es manchmal an Diskretion mangeln lässt und missverständliche Situationen herbeiführt.«
    »Vielleicht wäre es hilfreich, wenn Ihr ein wenig auf Distanz ginget.«
    »Wie kann ich das?«, konterte Nick. »Sie ist einsam genug, oder?«
    »Ja, ja. Aber wenn Ihr dem König einen Grund liefert, Euch aus ihrer Gegenwart zu verbannen, wird alles noch schlimmer für sie.«
    »Ach, der König hat doch längst vergessen, dass ich existiere«, wehrte der junge Mann wegwerfend ab.
    Chapuys verzog die dünnen Lippen zu einem mitleidigen Lächeln. »Darauf solltet Ihr lieber nicht hoffen.«
    Am Nachmittag schlug das Wetter um, und der April machte seinem Ruf alle Ehre: Der Himmel zog sich zu, wurde grau und unheilschwanger. Nick hatte halbherzig mit dem Gedanken gespielt, mit Chapuys gemeinsam nach London aufzubrechen, um den hässlichen Gerüchten nicht noch weiter Vorschub zu leisten, doch als es anfing zu schütten, überlegte er es sich anders.
    So saß er mit Mary und Lady Margaret am Kamin beim Kartenspiel, als der Gentleman Usher  – der Stellvertreter des Steward – eintrat und einen weiteren Besucher ankündigte.
    Mary ließ die Karten sinken. »Nach Monaten der Einsamkeit geht es hier heute mit einem Mal zu wie im Taubenschlag. Wer ist es?«
    »Sir John Dudley, Hoheit.«
    Die Prinzessin sah fragend zu Nick.
    »Der älteste Bruder meines Freundes Jerome Dudley«, erklärte er und zögerte dann, weil er vor so vielen Ohren nicht offenbaren wollte, dass John Dudley für seinen Geschmack ein wenig zu ehrgeizig war und bei der Wahl seiner politischen Freunde nicht immer den besten Geschmack bewies. »Man sieht ihn in letzter Zeit häufig zusammen mit Master Thomas Cromwell, habe ich gehört.«
    Mary verstand nur zu gut, was er ihr andeuten wollte: Cromwell steckte mit den Boleyns unter einer Decke und hatte das Parlament zu einem Marionettentheater gemacht, um die Annullierung der Ehe ihrer Eltern zu bewerkstelligen. Mit anderen Worten: Cromwell war Gift. Und wenn Dudley zu seinem Dunstkreis gehörte, galt das auch für ihn.
    Mary nickte dem Gentleman Usher zu. »Ich lasse bitten.«
    John Dudley war Anfang dreißig, hellhäutig und dunkelhaarig wie sein Bruder, doch ganz anders als jener ein wenig korpulent. Sein Schritt war forsch, die Verbeugung, die er vor der Prinzessin vollführte, sollte vielleicht zackig wirken, aber Nick fand sie impertinent.
    »Madam. Lady Margaret«, grüßte Dudley.
    »Sir John.« Mary faltete die Hände im Schoß und sah ihn unverwandt an, nicht unfreundlich, aber reserviert. »Durch welch abscheuliches Wetter Ihr hergekommen seid. Ein Becher Wein?«
    »Nein, vielen Dank.« Er zeigte ein kurzes Lächeln, das noch wesentlich hochnäsiger war als seine Verbeugung.
    »Ihr kennt Lord Waringham, nehme ich an?«, fragte die Prinzessin.
    »Noch nicht«, antwortete Nick, stand auf und streckte die Hand aus. »Dudley.«
    Der zögerte einen Moment, schlug dann ein und brach Nick beinah die Finger. »Waringham. Jedes Mal, wenn ich meinen Bruder treffe, singt er Euch Loblieder. Unablässig.«
    »Ich bin untröstlich, Gegenstand Eurer Langeweile zu sein, Sir«, gab Nick im gleichen

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