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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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können, müssen sie mich erst einmal erwischen. Also, her mit dem Brief, Hoheit.«
    Mary schien ihn kaum gehört zu haben. Sie sank in ihren Sessel, nahm die Spielkarten in beide Hände und schob sie zusammen, bis sie ein säuberliches Viereck bildeten. Das legte sie behutsam in ihren Schoß und schaute darauf hinab. »Nicht eine einzige Zeile hat er mir geschickt. Nicht ein freundliches Wort. Wann ist es passiert, dass mein Vater aufgehört hat, mich zu lieben? Und wie konnte es passieren, ohne dass ich es gemerkt habe?«
    Jeder konnte es merken, dachte Nick. Er war immer nur schroff zu dir, und dann hat er dich hierher verbannt. Jeder hat gesehen, was es zu bedeuten hatte. Und worauf es hinauslief. Nur du nicht, weil du es nicht wahrhaben wolltest. Und das konnte er verstehen. Aber es machte das böse Erwachen umso schlimmer.
    Er trat ans Feuer, legte Holz nach und blieb vor dem Kamin stehen, um Mary Gelegenheit zu geben, ihre Tränen unbeobachtet zu vergießen. Er wusste, ihre Haltung war ihr kostbar. Nach einer Weile hörte er sie schluchzen. Es war ein jammervoller Laut der Traurigkeit, und Nick brachte es nicht fertig, ihr länger den Rücken zuzukehren. Doch als er sich umwandte, sah er nur noch ihren Rock durch die Tür verschwinden.
    »Gott verfluche König Henry«, sagte Lady Margaret bedächtig. »Möge er in der Hölle brennen für das, was er seiner Frau und seinem Kind antut.«
    Nick starrte sie entgeistert an. Hätte sie sich ihm plötzlich an den Hals geworfen und die Kleider vom Leib gerissen, hätte er kaum schockierter sein können. »Ich bewundere Euren Mut, Mylady. Es ist lebensgefährlich, so etwas zu sagen.«
    Sie schnaubte. »Nicht, wenn Ihr der einzige seid, der es hört, Mylord, denn Ihr denkt ja das gleiche.«
    »Wirklich?«
    »Ich weiß, dass Ihr das Herz auf dem rechten Fleck habt, auch wenn ich Euch in Bezug auf die Tugend der Prinzessin nicht weiter traue, als ich ein Schlachtschiff werfen könnte.«
    Er ging nicht darauf ein, denn ganz gleich, was er sagte, sie würde ihm ja doch nicht glauben. Er schaute zur Uhr hinüber, die auf dem Tisch stand und vernehmlich tickte. »Halb sieben. Es wird Zeit, dass ich mich auf den Weg mache, wenn ich die Königin im Schutz der Dunkelheit erreichen will.«
    Doch Lady Margaret schüttelte den Kopf. »Das dürft Ihr nicht tun. Ihr könnt sicher sein, dass Cromwell jede Straße und jeden Pfad überwachen lässt, die nach Hertfordshire führen. Ihr dürft nicht leichtfertig riskieren, ihm in die Falle zu gehen, denn Mary braucht Euch jetzt dringender denn je.«
    Er wollte widersprechen, als ohne Vorwarnung die Tür geöffnet wurde und eine junge Dienstmagd hereinstürmte, die hier ganz und gar nichts verloren hatte. »Oh, Mylady, kommt schnell«, flehte das Mädchen, die Augen vor Furcht geweitet. »Sie ist so krank. Ich glaube, sie stirbt.«

Chelsea, April 1533
    »Nicholas!« Thomas More lächelte, ließ die Hände von Nicks Schultern gleiten und trat einen Schritt zurück. »Oder Lord Waringham, sollte ich wohl sagen. Ihr seht prächtig aus, mein Sohn.«
    »So wie Ihr, Sir«, erwiderte Nick, obwohl es nicht stimmte.
    Sir Thomas wies einladend zum Tisch hinüber, auf dem wie so oft aufgeschlagene Bücher verstreut lagen, flankiert von Stapeln weiterer Folianten. Die Halle war groß, aber schlicht, wie es dem Geschmack des Hausherrn entsprach. Die Schmucklosigkeit des Raums war früher nie ins Auge gefallen, weil es hier immer von Besuchern und Dienstboten gewimmelt hatte, aber jetzt war das Haus ungewohnt still.
    Sie nahmen Platz, und Sir Thomas schob ein paar der Bücher beiseite, um eine Ecke des Tischs freizumachen. »Ich hatte Euch schon vor einer Woche erwartet.«
    »Die Prinzessin war krank«, antwortete Nick. »Es sah … ziemlich ernst aus, jedenfalls die ersten beiden Tage. Darum bin ich länger in Newhall geblieben, als ich eigentlich wollte, und habe nicht nur Euch, sondern auch zwei Kunden versetzt, die in Smithfield ein Pferd kaufen wollten.«
    »Geht es ihr besser?«, erkundigte sich Sir Thomas besorgt.
    »Körperlich, ja«, antwortete Nick. »Aber Ihr könnt Euch sicher vorstellen, wie es um ihr Gemüt bestellt ist.«
    »Gewiss.«
    Sie sahen sich einen Moment an und verständigten sich schweigend darauf, das Thema zu wechseln.
    »Ich sehe, Ihr arbeitet unermüdlich wie eh und je«, bemerkte Nick und warf einen Blick auf eines der aufgeschlagenen Bücher. »Tyndales Gehorsam eines Christenmenschen ?«, fragte er verwundert. »Ich

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