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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Man kann beinah Angst vor ihr bekommen, fuhr es Nick durch den Kopf. Mehr noch als ihre Worte war es der Ausdruck ihres Gesichts, der einen eisernen Willen verriet.
    Chapuys schüttelte den Kopf. »Gewiss nicht, Madam«, erwiderte er lächelnd, legte die Fingerspitzen zu einem Dach zusammen, stützte das Kinn darauf und ließ sie nicht aus den Augen. »Dann ist wohl das der Grund, warum Euer Sohn sich zu einer kirchlichen Laufbahn entschlossen hat? Ich meine, viel deutlicher kann man seinen Verzicht auf einen möglichen Thronanspruch kaum erklären, nicht wahr?«
    Lady Margaret würdigte ihn keiner Antwort. Stattdessen erhob sie sich und beschied: »Ihr werdet mich jetzt entschuldigen müssen, Gentlemen. Ich sollte nach der Prinzessin sehen. Ich werde nach Erfrischungen für Euch schicken.«
    Lady Margaret blieb verschwunden, und die Erfrischungen ließen auf sich warten. Doch ehe Nick vom Fleisch fiel, wurde ein leichtes Mittagsmahl aus Reis und Hühnchenfleisch aufgetragen.
    Sir William Orford, der Steward des Haushalts, verneigte sich knapp vor den beiden Männern. »Gesegnete Mahlzeit, Gentlemen. Wartet nicht auf Ihre Hoheit und Lady Margaret, sie wünschen heute Mittag nicht zu speisen.«
    Nick und der kaiserliche Gesandte nahmen schweigend am Tisch Platz, warteten, bis ein junger Diener ihnen unter den kritischen Blicken des Steward aufgefüllt hatte, und als sie allein waren, sprach Chapuys ein Tischgebet. Dann fielen sie beide heißhungrig über ihre Portionen her. Das Essen schmeckte fad, denn der Arzt hatte Mary gewürzte Speisen verboten, doch Nick beklagte sich nicht.
    »Wie lange könnt Ihr bleiben?«, fragte Chapuys zwischen zwei Löffeln.
    »Ein, zwei Tage«, antwortete Nick. »Freitag muss ich in London sein. Eigentlich müsste ich vorher nach Hause, aber …« Er zögerte.
    »Aber Ihr habt das Gefühl, im Moment solle man die Prinzessin besser nicht allein lassen?«
    Nick aß bedächtig einen Löffel voll, trank einen Schluck Wein und sah dem Gesandten des Kaisers dann in die Augen. »Wieso habe ich das Gefühl, dass Ihr meinen Absichten misstraut?«
    »Das weiß ich nicht, Mylord«, antwortete Chapuys mit einem engelhaften Unschuldslächeln. »Ich finde, es ist immer gefährlich, die Gedanken und Motive eines anderen Mannes erraten zu wollen. Man verrennt sich so leicht …«
    Nick warf ärgerlich seinen Löffel auf den Teller. »Oh, hört schon auf, Mann. Mein Schwager Durham sagt, in London erzählen die Tratschweiber, Nicholas of Waringham halte der bedauernswerten verbannten Prinzessin die Hand, um in ihr Bett zu gelangen. Tut nicht so, als hättet Ihr das nicht gehört.«
    »Und ist es wahr?«, erkundigte sich der Gesandte, schob sich ein Stück Brot in den Mund und sah Nick neugierig an.
    Der junge Mann schüttelte den Kopf, antwortete aber nicht sofort. Als auch er die Hand nach dem Brot ausstreckte, fiel ein Sonnenstrahl auf den Ring, den er am linken Zeigefinger trug, und ließ den Goldreif mit dem eingeprägten Waringham-Einhorn funkeln. Einen Moment sah Nick darauf hinab, dann schaute er Chapuys wieder in die Augen. »Es ist nicht wahr, Sir. Vielleicht sieht es manchmal so aus, weil sie … Mary ist ein Kind in diesen Dingen, versteht Ihr. Sie nimmt meine Hand oder schickt ihre Hofdamen fort, um einen Moment allein mit mir zu sein, aber sie denkt sich nichts dabei. Sie ist … so vollkommen unschuldig.« Sein Lächeln verriet seine Zuneigung für die Prinzessin.
    » Ihre Unschuld ist es ja auch nicht, die angezweifelt wird, Mylord«, warf Chapuys trocken ein. »Eure hingegen gilt als äußerst fragwürdig.«
    »Ich wünschte, ich wäre nur halb so schlimm wie mein Ruf, dann wäre mein Leben gewiss genussreicher«, grollte Nick.
    Der Gesandte des Kaisers lachte in sich hinein. »Wenn Ihr ein so mönchisches Dasein führt, wie kann es dann sein, dass Ihr daheim in Waringham einen kleinen Bastard habt?«
    »Noch nicht«, widersprach Nick ohne jede Verlegenheit. »Aber es kann jetzt jeden Tag soweit sein. Das heißt indessen nicht, dass ich nicht in der Lage wäre, mit dem Kopf zu denken, Sir. Im Übrigen …« Er unterbrach sich kurz und überlegte, wie offen er Chapuys gegenüber sein wollte, denn dieser Mann war dafür bekannt, dass er alles, jedes Bekenntnis und jedes Geheimnis, das er erfuhr, rücksichtslos einsetzte, wenn er glaubte, dass es für die Wahrung der Interessen des Kaisers förderlich sei. Doch im Grunde, erkannte Nick, hatte er ja nichts zu verbergen. »Die Königin

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