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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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hätte gedacht, dass dieses Werk in Eurem Haus bestenfalls zum Feuermachen Verwendung findet.«
    »Ihr habt es gelesen?«
    »Ja.« Es war eins der eingekerkerten Bücher gewesen, die er nach dem Tod seines Vaters aus dem Verlies in Waringham geholt hatte.
    »Und was denkt Ihr?«, fragte Sir Thomas gespannt.
    Nick hob die Schultern. »Das, was ich über alle Bücher dieser Eiferer denke. Sie haben recht mit ihrer Geißelung kirchlichen Machtmissbrauchs. Aber sie haben unrecht mit den Schlüssen, die sie daraus ziehen.«
    »Das heißt, Ihr folgt in diesem Diskurs nicht Eurem Vater?«
    Nick war nicht sicher, ob ihm die Frage gefiel. Sie klang ein wenig inquisitorisch. Und er war kein Zögling in Thomas Mores Schule mehr, sondern ein erwachsener Mann – er musste hier keine Rechenschaft ablegen über das, was er glaubte. Was er sich schließlich zu sagen entschloss, war: »Nein, Sir Thomas. Ich verstehe seine Haltung heute besser als früher. Doch die Reformer lassen sich zum Werkzeug politischer Interessen machen.« Er zeigte auf Tyndales viel gelesene und leidenschaftlich diskutierte Streitschrift. »Cromwell ist ganz vernarrt in dieses Buch, heißt es. Und Lady Anne Boleyn ebenfalls. Ich hörte, sie habe vor versammeltem Hof ihr Exemplar dem König geliehen und gesagt, dieses Buch müsse jeder Herrscher lesen. Aber die Reform der Kirche ist ihr völlig egal und Henry ebenso. Sie rütteln an der Autorität des Papstes, damit sie heiraten können, das ist alles. Und es widert mich an, dass sie ihre selbstsüchtigen, höchst fragwürdigen Motive mit reformerischen Absichten bemänteln.«
    Thomas More kommentierte dies mit einem strahlenden Lächeln, aber nichts sonst.
    »Wundert Euch nicht, Mylord«, bemerkte Lady Meg, die die Halle betreten hatte, eine Schale mit gerösteten Nüssen und getrockneten Aprikosen auf den Tisch stellte und sich zu ihnen setzte. »Bei dem Thema wird er stumm wie eine Auster.«
    »Lady Meg.« Nick ließ es sich nicht nehmen, aufzustehen und sich vor ihr zu verneigen, obwohl sie ihn mit einem Wink davon abhalten wollte.
    »Es ist so schön, Euch zu sehen«, erwiderte sie mit ihrem warmen und doch immer ein wenig spitzbübischen Lächeln. »Wir haben nicht mehr besonders viel Besuch in letzter Zeit.«
    Vor knapp einem Jahr war Sir Thomas von seinem Amt als Lord Chancellor von England zurückgetreten.
    Tags zuvor hatte der König die englischen Bischöfe und Äbte zur Unterzeichnung einer Urkunde gezwungen, die Die Unterwerfung des Klerus genannt wurde. Auch das hatte natürlich Cromwell ausgeheckt: Alle kirchliche Gerichtsbarkeit sowohl der Zukunft als auch der Vergangenheit wurde der Kontrolle der Krone unterstellt. Nicht des Parlaments, sondern der Krone. Anfangs hatten die Bischöfe sich natürlich geweigert, zuzustimmen, doch als der König ihre Untertanentreue daraufhin infrage stellte, bekamen die meisten kalte Füße. Der streitbare Erzbischof von Canterbury war schon zu krank gewesen, um zu intervenieren. John Fisher, der womöglich noch streitbarere Bischof von Rochester, lag ebenfalls darnieder. Nick hatte sich damals gefragt, ob Cromwell diesen beiden mächtigen Gegnern seines Plans vielleicht irgendetwas ins Essen hatte mischen lassen, um sie aus der Bischofsversammlung zu entfernen – zumindest vorübergehend. Zuzutrauen wäre ihm das allemal gewesen. Doch mochte das sein, wie es wollte, die kirchlichen Herren hatten sich dem Willen des Königs gebeugt. Die Unterwerfung des Klerus war bei den Engländern – von den einfachen Bauern über die Bürgerschaft bis hin zum Adel – ausgesprochen beliebt, weil sie die Willkür und den Machtmissbrauch der Priester unterband, niemand mehr zum Ablasskauf gezwungen und mit der Drohung der Exkommunikation gefügig gemacht werden konnte. Nick musste nur daran denken, wie zahm Vater Ranulf daheim in Waringham mit einem Mal geworden war, um die Vorteile zu erkennen.
    Aber Sir Thomas wertete sie als Affront gegen Kirche und Papst – was sie ja auch war – und hatte sein Amt niedergelegt.
    »Ich bin keineswegs stumm, wenn es darum geht, das Recht der Kirche auf ihre eigene und vor allem unabhängige Rechtssprechung zu verteidigen«, antwortete More seiner Tochter. »Vor allem in Fragen der Häresie.«
    »Oh, ich weiß, Sir«, gestand sie ihm zu. »Aber über die Heirat des Königs mit Lady Anne verliert Ihr kein Wort, weder öffentlich noch hier im vertrauten Kreis.«
    »Nein.«
    »Man könnte meinen, Ihr traut uns nicht«, warf sie ihm

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