Der Dunkle Turm 2 - Drei
ein, so schnell er konnte, dann zog er die Pistole des Revolvermanns hervor und hielt sie ihr, Knauf voraus, hin. Aber sie schüttelte den Kopf.
»Er wird auf uns beide wütend sein. Auf dich, weil du ihn mir gegeben hast, aber noch mehr auf mich, weil ich ihn genommen habe.«
»Mist!« schrie Eddie. »Wie kommst du darauf?«
»Ich weiß es«, sagte sie, und ihre Stimme war über jeden Zweifel erhaben.
»Nun, angenommen, es stimmt. Nur angenommen. Ich werde wütend auf dich sein, wenn du ihn nicht nimmst.«
»Steck ihn wieder weg. Ich mag Waffen nicht. Ich weiß nicht, wie ich sie benützen sollte. Wenn etwas in der Dunkelheit auf mich zukäme, würde ich mir als erstes die Hose naß machen. Und danach würde ich sie verkehrt herum halten und mich selbst erschießen.« Sie machte eine Pause und sah Eddie ernst an. »Da ist noch etwas, das du wissen solltest. Ich will nichts anfassen, was ihm gehört. Gar nichts. Für mich könnten diese Gegenstände etwas haben, was meine Mutter Hoodoo genannt hat. Ich betrachte mich gerne als moderne Frau… aber ich will kein Hoodoo an mir haben, wenn du fort bist und ich im Schatten des dunklen Landes liege.«
Er sah von dem Revolver zu Odetta, und sein Blick war immer noch fragend.
»Steck ihn weg«, sagte sie so streng wie eine Lehrerin. Eddie fing an zu lachen und gehorchte.
»Warum lachst du?«
»Weil du dich wie Miß Hathaway angehört hast, als du das gesagt hast. Sie war meine Lehrerin in der dritten Klasse.«
Sie lächelte ein wenig, aber ihre glänzenden Augen wichen nicht von seinen. Sie sang leise, mit süßer Stimme: »Heavenly shades of night are falling… it’s twilight time… « Sie verstummte, und beide sahen nach Westen, aber der Stern, angesichts dessen sie sich gestern abend etwas gewünscht hatten, war noch nicht wieder zum Vorschein gekommen, obwohl ihre Schatten lang geworden waren.
»Kann ich noch etwas tun, Odetta?« Er verspürte den Drang zu verzögern und zu verzögern. Er glaubte, das würde vorbeigehen, wenn er tatsächlich auf dem Rückweg war, aber momentan war der Drang, jede Ausrede zu nützen, sehr stark.
»Ein Kuß. Das würde mir gefallen, wenn es dir nichts ausmacht.«
Er küßte sie lange, und als ihre Lippen sich nicht mehr berührten, ergriff sie sein Handgelenk und sah ihn durchdringend an. »Vor gestern nacht habe ich noch nie mit einem weißen Mann geschlafen«, sagte sie. »Ich weiß nicht, ob das wichtig für dich ist oder nicht. Ich weiß nicht einmal, ob es für mich wichtig ist. Aber ich dachte, du solltest es wissen.«
Er überlegte.
»Für mich nicht«, sagte er. »Ich glaube, wir waren im Dunkeln beide grau. Ich liebe dich, Odetta.«
Sie legte eine Hand auf seine.
»Du bist ein lieber junger Mann, und vielleicht liebe ich dich auch, aber ich finde, es ist zu früh für uns beide…«
In diesem Augenblick knurrte, wie auf ein Stichwort hin, eine Wildkatze in den Bergen oben. Es hörte sich immer noch an, als wäre sie vier oder fünf Meilen entfernt, aber das war trotzdem vier oder fünf Meilen näher als beim letztenmal, und sie hörte sich groß an.
Sie drehten die Köpfe in Richtung des Geräuschs. Eddie spürte, wie sich seine Nackenhaare aufrichten wollten. Sie schafften es nicht ganz. Tut mir leid, Härchen, dachte er albern. Ich schätze, meine Haare sind einfach ein bißchen zu lang geworden.
Das Knurren wurde zu einem gequälten Schrei, der sich wie der Schrei von etwas anhörte, das einen schrecklichen Tod starb (tatsächlich hätte er aber auch nichts weiter als eine erfolgreiche Paarung bedeuten können). Er hielt einen Augenblick beinahe unerträglich an, dann ließ er nach, wurde immer tiefer und tiefer, bis er verstummt oder unter dem unablässigen Heulen des Windes begraben war. Sie warteten darauf, daß er noch einmal ertönen würde, aber der Schrei wurde nicht wiederholt. Was Eddie anbetraf, so spielte das keine Rolle. Er zog noch einmal den Revolver aus dem Saum und hielt ihn ihr hin.
»Nimm ihn und widersprich nicht. Wenn du ihn tatsächlich brauchen solltest, wird er keinen Scheißdreck funktionieren – das ist bei solchen Sachen immer so –, aber nimm ihn trotzdem.«
»Suchst du Streit?«
»Oh, du kannst streiten. Du kannst streiten, soviel du willst.«
Nach einem nachdenklichen Blick in Eddies fast mandelbraune Augen lächelte sie ergeben. »Ich glaube, ich werde nicht streiten.« Sie nahm den Revolver. »Bitte mach so schnell du kannst.«
»Das werde ich.« Er küßte sie noch
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