Der Dunkle Turm 3 - Tot
Arterie. Er sprang sie an wie ein Triebtäter aus dem Schlund einer Gasse.
Susannah heulte und sank zurück, ihre Halsmuskeln standen vor. Das Kleid, das sie trug, wurde zuerst gegen ihre Brüste und den Bauch gedrückt, dann langsam in Stücke gerissen. Sie konnte ein sinnloses, zielloses Keuchen hören, als hätte die Luft selbst beschlossen, mit ihr zu rammeln.
»Suze!« rief Eddie und wollte aufstehen.
»Nein!« schrie sie zurück. »Mach weiter! Ich hab’ den Hurensohn genau da… genau da, wo ich ihn haben will! Mach weiter, Eddie! Bring den Jungen her! Bring…« Kälte berührte grob das zarte Fleisch zwischen ihren Beinen. Sie grunzte und fiel nach hinten… dann stützte sie sich mit einer Hand und stieß trotzig nach vorne und hoch. »Bring ihn rüber!«
Eddie sah unsicher zu Roland, der nickte. Eddie warf Susannah noch einmal einen Blick aus Augen voll dunklem Schmerz und dunkler Angst zu, dann drehte er den beiden bewußt den Rücken zu und sank wieder auf die Knie. Er streckte den gespitzten Ast aus, der zu einem behelfsmäßigen Zeichenstift geworden war, und achtete nicht auf den Regen, der ihm Arme und Nacken benetzte. Der Ast bewegte sich, zeichnete Striche und Linien und Winkel und schuf ein Bild, das Roland sofort kannte.
Es war eine Tür.
26
Jake streckte die Hand aus, berührte die gesplitterte Tür und drückte. Sie schwang langsam auf, kreischend in ihren rostigen Scharnieren. Vor ihm lag ein unebener Plattenweg. Nach dem Weg kam die Veranda. Auf der Veranda die Tür. Diese war zugenagelt worden.
Er ging langsam auf das Haus zu, während sein Herz rasend schnell Morsezeichen zum Hals telegrafierte. Unkraut war zwischen den schiefen Platten hochgewachsen. Er konnte es an seinen Jeans rascheln hören. Seine sämtlichen Sinne schienen zwei Skaleneinheiten schärfer eingestellt worden zu sein. Du wirst doch nicht wirklich da reingehen, oder? schrie eine panische Stimme in seinem Verstand.
Und die Antwort, die ihm darauf einfiel, schien vollkommen irr und zugleich durch und durch logisch zu sein: Alles dient dem Balken.
Auf dem Schild vor dem Haus stand:
DURCHGANG BEI STRAFANDROHUNG STRENGSTENS
VERBOTEN!
Das vergilbte, rostfleckige Stück Pappe, das auf die Bretter vor der Eingangstür genagelt worden war, war bündiger:
AUF ANORDNUNG DER WOHNRAUMVERWALTUNG VON
NEW YORK
BETRETEN VERBOTEN
Jake blieb am Fuß der Treppe stehen und sah zur Tür hinauf. Er hatte auf dem unbebauten Grundstück Stimmen gehört, und jetzt hörte er wieder welche… aber dies war ein Chor der Verdammten, ein Brabbeln irrer Verwünschungen und ebenso abgeschmackter Versprechungen. Aber er dachte, daß es nur eine einzige Stimme war. Die Stimme des Hauses; die Stimme eines monströsen Torwächters, der aus einem langen, unruhigen Schlaf geweckt worden war.
Er dachte kurz an die Ruger seines Vaters und überlegte sogar kurz, ob er sie aus der Tasche ziehen sollte, aber was würde sie ihm nützen? Hinter ihm rauschte der Verkehr die Rhinehold Street hinauf und hinunter, und eine Mutter schrie ihrer Tochter zu, sie solle aufhören, mit diesem Jungen Händchen zu halten, und die Wäsche reinbringen, aber hier begann eine andere Welt, die von einem düsteren Wesen beherrscht wurde, über das Waffen keine Macht haben konnten.
Sei aufrichtig, Jake – sei standhaft.
»Okay«, sagte er mit leiser, zitternder Stimme. »Okay, ich versuche es. Aber du läßt mich besser nicht noch einmal fallen.«
Langsam ging er die Verandastufen hinauf.
27
Die Bretter, mit denen die Tür kreuzweise vernagelt war, waren alt und verfault, die Nägel rostig. Jake packte zwei Bretter oben an der Stelle, wo sie sich überkreuzten, und zog. Sie lösten sich mit einem Kreischen wie die Gartentür. Er warf sie über das Verandageländer in ein uraltes Blumenbeet, wo nur noch Hirse und Hundszahn wuchsen. Er bückte sich, umklammerte das untere Kreuz und hielt einen Moment inne.
Ein hohles Geräusch drang durch die Tür; das Geräusch eines Tieres, das hungrig in einem Betonrohr schmatzt. Jake spürte, wie ein ekliger Schweißfilm sich auf seinen Wangen und der Stirn ausbreitete. Er hatte solche Angst, daß er sich gar nicht mehr wirklich fühlte; er schien zur Figur im Alptraum eines anderen geworden zu sein.
Der böse Chor, die böse Präsenz, befand sich hinter dieser Tür. Ihr Klang quoll wie Sirup heraus.
Er zerrte an den unteren Brettern. Sie lösten sich mühelos.
Logisch. Es will, daß ich
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