Der Dunkle Turm 3 - Tot
der Bumbler würde weglaufen, aber er sah nur zu ihm auf, leckte seine Hand und sah dann wieder zu den beiden alten Menschen. Der Mann versuchte, der Frau aufzuhelfen – mit relativ wenig Erfolg. Sie drehte den Kopf in völliger Verwirrung hierhin und dorthin.
Der Mann namens Si hatte sich die Hände am Kopfsteinpflaster aufgerissen, achtete aber nicht darauf. Er gab es auf, der Frau zu helfen, riß den Sombrero vom Kopf und hielt ihn vor die Brust. Jake fand, daß der Hut so groß wie ein Scheffelkorb aussah. »Wir heißen Euch willkommen, Revolvermann!« rief er. »Wahrhaftig willkommen! Ich habe gedacht, Eure Gemeinschaft sei völlig vom Antlitz der Erde verschwunden, das habe ich!«
»Ich danke dir für dein Willkommen«, antwortete Roland in der Hochsprache. Er legte der blinden Frau behutsam die Hände auf die Oberarme. Sie zuckte kurz zusammen, dann entspannte sie sich und ließ sich von ihm hochhelfen. »Zieh deinen Hut auf, Alterchen. Die Sonne brennt heiß.«
Er gehorchte, dann stand er nur da und sah Roland mit leuchtenden Augen an. Nach einem Moment wurde Jake klar, was das Leuchten war. Si weinte.
»Ein Revolvermann! Ich hab’ es dir gesagt, Mercy! Ich habe das Schießeisen gesehen und hab’ es dir gesagt!«
»Keine Waldläufer?« fragte sie, als könnte sie es nicht glauben. »Bist du sicher, daß sie keine Waldläufer sind, Si?«
Roland wandte sich an Eddie. »Vergewissere dich, ob sie gesichert ist, und dann gib ihr Jakes Pistole.«
Eddie zog die Ruger aus dem Hosenbund, überprüfte die Sicherung und drückte der blinden Frau zögernd die Waffe in die Hände. Diese keuchte, ließ sie um ein Haar fallen und strich dann staunend mit den Händen darüber. Sie wandte die leeren Höhlen, wo die Augen gewesen waren, dem Mann zu. »Eine Waffe!« flüsterte sie. »Bei meinem heiligen Hut!«
»Ay, irgendeine«, antwortete der alte Mann wegwerfend, nahm sie ihr weg und gab sie Eddie zurück, »aber der Revolvermann hat eine richtige, und es ist eine Frau dabei, die hat auch eine. Außerdem hat sie eine braune Haut wie die Menschen aus Garlan, wie mein Da’ immer behauptet hat.«
Oy stieß ein schrilles, pfeifendes Bellen aus. Jake drehte sich um und sah noch mehr Menschen die Straße entlangkommen – alles in allem fünf oder sechs. Auch sie waren alt wie Si und Mercy; eine Frau, die mit krummem Rücken am Stock ging und wie die Hexe in einem Märchen aussah, war sogar uralt. Als sie näher kamen fiel Jake auf, daß zwei der Männer eineiige Zwillinge waren. Langes weißes Haar fiel auf die Schultern ihrer selbstgewebten karierten Hemden. Ihre Haut war weiß wie feines Leinen, die Augen rosa. Albinos, dachte er.
Die Alte schien die Anführerin zu sein. Sie hinkte mit dem Stock auf Rolands Gruppe zu und betrachtete sie mit stechenden Augen, Augen so grün wie Smaragde. Der zahnlose Mund war tief eingefallen. Der Zipfel des alten Schals, den sie trug, flatterte im Präriewind. Ihr Blick fiel auf Roland.
»Heil, Revolvermann! Erfreuliches Zusammentreffen!« Sie sprach die Hochsprache, und Jake konnte sie, wie Eddie und Susannah, gut verstehen, obwohl er vermutete, daß ihm die Worte in seiner Welt wie Gestammel vorgekommen wären. »Willkommen in River Crossing!«
Der Revolvermann hatte seinen Hut abgezogen, nun verbeugte er sich vor ihr und klopfte mit der verstümmelten rechten Hand dreimal nacheinander an seinen Hals. »Danke-sai, Alte Mutter.«
Darüber gackerte sie unbeherrscht, und Eddie wurde klar, daß der Revolvermann gleichzeitig einen Scherz und ein Kompliment gemacht hatte. Der Gedanke, den Susannah schon gehabt hatte, kam ihm nun auch: So ist er gewesen… früher. Jedenfalls war das ein Teil von ihm.
»Revolvermann mögt Ihr sein, unter Eurer Kleidung jedoch seid Ihr auch nur ein albernes Mannsbild«, sagte sie und wechselte in die niedere Sprache über.
Roland verbeugte sich wieder. »Schönheit hat mich stets albern gemacht, Mutter.«
Diesmal quietschte sie buchstäblich vor Lachen. Oy drückte sich an Jakes Bein. Einer der Albinozwillinge eilte nach vorne, um die Alte zu stützen, als sie in ihren staubigen, rissigen Schuhen nach hinten kippte. Sie erlangte das Gleichgewicht jedoch von sich aus wieder und machte mit einer Hand eine verdrossene, scheuchende Geste. Der Albino zog sich zurück.
»Seid Ihr auf der Suche, Revolvermann?« Ihre grünen Augen musterten ihn listig; die faltige Tasche ihres Mundes flabberte.
»Ay«, sagte Roland. »Wir sind auf der Suche nach dem
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