Der Dunkle Turm 3 - Tot
Buch steht, Rätsel sind das älteste Spiel, das die Menschen noch spielen. Ich meine in unserer Welt. Und der Mann in der Buchhandlung hat gesagt, man hat sie einmal richtig ernst genommen, nicht nur als Witze betrachtet. Menschen sind ihretwegen getötet worden.«
Roland sah in die zunehmende Dunkelheit hinaus. »Ja. Das habe ich selbst gesehen.« Er erinnerte sich an einen Rätselwettbewerb am Jahrmarktstag, an dessen Ende nicht die Gans als Preis ausgegeben wurde, sondern ein schielender Mann mit Schellenkappe tot mit einem Dolch in der Brust am Boden lag. Corts Dolch. Der Mann war ein fahrender Sänger und Akrobat gewesen, der versucht hatte, Cort zu betrügen, indem er das Buch des Richters stahl, in dem die Lösungen auf kleinen Rindenstückchen geschrieben standen.
»Na ja, bitte um Entschuuuuldigung«, sagte Eddie.
Susannah sah Jake an. »Dein Rätselbuch hatte ich ganz vergessen. Kann ich es mir jetzt einmal ansehen?«
»Klar. Es ist in meinem Ranzen. Aber die Lösungen sind nicht dabei. Darum hat Mr. Tower es mir vielleicht ums…«
Plötzlich wurde seine Schulter schmerzhaft zusammengedrückt.
»Was war das für ein Name?« fragte Roland.
»Mr. Tower«, sagte Jake. »Calvin Tower. Habe ich dir das nicht gesagt?«
»Nein.« Roland gab Jakes Schulter langsam wieder frei. »Aber jetzt, wo ich ihn höre, überrascht er mich eigentlich nicht.«
Eddie hatte Jakes Schulranzen aufgemacht und Ringelrätselreihen gefunden. Er warf es Susannah zu. »Weißt du«, sagte er, »ich fand den Witz mit dem toten Baby eigentlich immer ziemlich komisch. Vielleicht geschmacklos, aber ziemlich gut.«
»Ich kümmere mich nicht um Geschmacklosigkeit«, sagte Roland. »Dein Rätsel ist sinnlos und daher unlösbar. Ein gutes Rätsel ist keins von beidem.«
»Herrje! Ihr habt das echt ernst genommen, hm?«
»Ja.«
Derweil hatte Jake das Feuerholz neu aufgeschichtet und über das Rätsel nachgedacht, das die Unterhaltung in Gang gebracht hatte. Nun lächelte er plötzlich. »Ein Feuer. Das ist die Antwort, richtig? Nachts ankleiden, am Morgen entkleiden. Man muß nur ›ankleiden‹ und ›entkleiden‹ durch ›anmachen‹ und ›ausmachen‹ ersetzen, ganz einfach.«
»Genau.« Roland erwiderte Jakes Lächeln, aber sein Blick ruhte auf Susannah, die das kleine, zerfledderte Buch durchblätterte. Als er ihr konzentriertes Stirnrunzeln und die zerstreute Weise sah, wie sie die gelbe Blume in ihrem Haar zurechtrückte, wenn diese sich löste, sagte ihm, daß sie spürte, das zerfledderte Buch der Rätsel konnte ebenso wichtig sein wie Charlie Tschuff-Tschuff… vielleicht wichtiger. Er sah zu Eddie und verspürte ein erneutes Aufwallen von Zorn über Eddies albernes Rätsel. Der junge Mann wies noch eine Ähnlichkeit mit Cuthbert auf, doch diese war unglücklicher: Roland war manchmal danach zumute, ihn zu packen und zu schütteln, bis seine Nase blutete und ihm die Zähne ausfielen.
Ruhig, Revolvermann, ruhig! sagte Corts nicht ganz fröhliche Stimme in seinem Kopf, und Roland stieß seine Empfindungen resolut auf Armeslänge von sich. Es fiel ihm leichter, wenn er sich vergegenwärtigte, daß Eddie nichts für seine gelegentlichen Ausflüge in den Unsinn konnte; Charakter war ebenfalls zumindest teilweise vom Ka bestimmt, und Roland wußte ganz genau, daß Eddie mehr als nur Unsinn in sich hatte. Jedesmal, wenn er den Fehler beging und dachte, das wäre nicht so, würde er gut daran tun, sich ihre Unterhaltung von der Nacht zuvor am Straßenrand zu vergegenwärtigen, als Eddie ihm vorgeworfen hatte, er würde sie alle als Figuren auf seinem privaten Spielbrett mißbrauchen. Das hatte ihn erzürnt… aber es war der Wahrheit auch so nahegekommen, daß er sich schämte.
Eddie, der von diesen Gedankengängen glücklicherweise nichts mitbekam, fragte jetzt: »Was ist grün, wiegt hundert Tonnen und lebt auf dem Meeresgrund?«
»Das weiß ich«, sagte Jake. »Moby Rotz, der große grüne Wal.«
»Idiotie«, murmelte Roland.
»Ja – aber eben deshalb soll es ja komisch sein«, sagte Eddie. »Witze sollen auch bezwecken, daß man um Ecken denkt. Weißt du…« Er sah Roland ins Gesicht, lachte und riß die Hände hoch. »Vergiß es. Ich gebe auf. Du würdest es nie verstehen. In einer Million Jahren nicht. Sehen wir uns das verdammte Buch an. Ich werde mich sogar bemühen, es ernst zu nehmen… das heißt, wenn wir vorher eine Kleinigkeit essen können.«
»In der Tüte«, sagte der Revolvermann mit dem Anflug eines
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