Der Dunkle Turm 3 - Tot
Gegend immer noch einen ansehnlichen Eindruck, und Eddie fragte sich, ob sie einmal der Mittelpunkt des kulturellen Lebens in Lud gewesen war. Diese Tage waren selbstverständlich längst vorbei; Eddie bezweifelte, daß sich Schlitzer und seine Kumpane sehr für Ballett oder Kammermusik interessierten.
Er und Susannah waren zu einer großen Kreuzung gekommen, von der vier weitere breite Alleen nach außen verliefen wie Speichen eines Rades. In der Radnabe befand sich ein großer gepflasterter Platz. Ringsum verliefen Lautsprecher auf zehn Meter hohen Stahlpfosten. Im Zentrum des Platzes stand ein Sockel mit den Überresten einer Statue – ein mächtiges Schlachtroß aus Kupfer, von Grünspan überzogen, das die Vorderhufe in die Luft schwang. Der Krieger, der das Pferd einst geritten hatte, lag auf einer verrosteten Schulter auf der Seite und schwang etwas, das wie ein Maschinengewehr aussah, in einer, und ein Schwert in der anderen Hand. Die Beine waren noch um die Flanken des Pferdes gekrümmt, das er einst geritten hatte. TOD DEN GRAUEN! stand in verblaßten orangefarbenen Buchstaben auf dem Sockel.
Als Eddie die sternförmig angeordneten Straßen hinabsah, erblickte er noch mehr von den Lautsprecherpfosten. Einige waren umgefallen, aber die meisten standen noch, und diese waren allesamt mit grausigen Girlanden von Leichen geschmückt. Als Folge dessen waren der Platz, in den die ›Fifth Avenue‹ mündete, und die Straßen, die davon wegführten, von einer kleinen Armee der Toten bewacht.
»Was sind denn das für Menschen?« sagte Eddie wieder.
Er rechnete nicht mit einer Antwort, und Susannah gab ihm keine… aber sie hätte es gekonnt. Sie hatte schon früher Einblicke in die Vergangenheit von Rolands Welt gehabt, aber noch nie so klar und deutlich wie jetzt. Ihren früheren Einblicken, wie dem in River Crossing, war eine visionäre, quälende Eigenschaft zu eigen gewesen, wie einem Traum, aber was sie jetzt sah, kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel, als sähe sie das verzerrte Gesicht eines gefährlichen Irren in einem kurzen, grellen Aufleuchten.
Die Lautsprecher… die gehängten Leichen… die Trommeln. Sie begriff plötzlich, wie sie zusammengehörten, so sicher wie sie begriffen hatte, daß die schwerbeladenen Wagen, die auf dem Weg nach Jimtown durch River Crossing kamen, von Ochsen gezogen worden waren, und nicht von Maultieren oder Pferden.
»Vergiß diesen Dreck«, sagte sie, und ihre Stimme bebte nur ein klein wenig. »Wir suchen nur den Zug. Was meinst du, in welcher Richtung steht er?«
Eddie sah zum halbdunklen Himmel und konnte den Pfad des Balkens mühelos anhand der Wolkenformationen erkennen. Er sah in diese Richtung und war nicht überrascht, als er feststellte, daß der Zugang zu der Straße, die dem Balken folgte, von einer großen Schildkröte aus Stein bewacht wurde. Der Reptilienkopf sah aus den Granitlippen des Panzers heraus; die tiefliegenden Augen schienen sie neugierig zu betrachten. Eddie nickte in ihre Richtung und brachte ein knappes, trockenes Lächeln zustande. »Siehst du der Schildkröte strahlende Pracht?«
Susannah sah ebenfalls kurz hin und nickte. Er schob sie über den Platz in die Straße der Schildkröte. Die Leichen rechts und links verströmten einen trockenen Zimtgeruch, bei dem sich Eddies Magen verkrampfte… nicht weil er schlimm, sondern weil er im Gegenteil sogar recht angenehm war – das würzig-süße Aroma von etwas, das sich jedes Kind sicher gern auf den Frühstückstoast streuen würde.
Die Straße der Schildkröte war glücklicherweise breit, und die meisten Leichen an den Lautsprecherpfosten waren nicht mehr als Mumien, aber Susannah sah einige, die vergleichsweise frisch waren. Fliegen krabbelten noch auf der schwarzen Haut der aufgedunsenen Gesichter und Maden wuselten aus verwesenden Augen.
Und unter jedem Pfosten lag ein kleines Häufchen Knochen.
»Das müssen Tausende sein«, sagte Eddie. »Männer, Frauen, Kinder.«
»Ja.« Susannahs Stimme hörte sich selbst für sie fern und seltsam an. »Sie haben jede Menge Zeit zum Töten. Und die haben sie genutzt, sich gegenseitig umzubringen.«
»Bring uns endlich zu diesen elenden weisen Elfen!« sagte Eddie, und das Lachen, das nachfolgte, hörte sich verdächtig nach einem Schluchzen an. Er glaubte, daß er allmählich begriff, was dieser unverfängliche Ausdruck – die Welt hat sich weitergedreht – wirklich bedeutete. Welche Bandbreite von Dummheit und Bösem er umfaßte.
Und
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