Der Dunkle Turm 3 - Tot
Roland Hurenblüte nannte.
Susannah sah sein Gesicht nie. Sie hatte die ganze Aufmerksamkeit auf die Hand gerichtet, die langsam zum Vorschein kam, und auf die grüne Kugel darin. Mehr brauchte sie nicht zu sehen. Rolands Revolver knallte. Der Zwerg wurde rückwärts geschleudert. Ein schriller Schrei des Schmerzes und der Wut entrang sich seinem kleinen Mund, als er auf dem Gehweg landete. Die Granate fiel ihm aus der Hand und rollte in den Bogen zurück, aus dem er gekommen war.
Detta war fort wie ein Traum, und Susannah sah von Überraschung, Entsetzen und Fassungslosigkeit erfüllt zu der kleinen liegenden Gestalt am Boden. »O mein Gott! Ich habe ihn erschossen! Eddie, ich habe ihn erschossen!«
»Tod den… Grauen!«
Der kleine Lord Fauntleroy versuchte, diese Worte trotzig zu schreien, aber sie kamen mit einem blubbernden Würgen von Blut heraus, das die wenigen weißen Stellen seines fadenscheinigen Hemdes auch noch tränkte. Aus dem zugewucherten Innenhof des Eckhauses ertönte eine gedämpfte Explosion, der zottelige grüne Teppich, der vor den Torbögen hing, wehte nach außen wie Flaggen bei steifer Brise. Beißender Rauch quoll hervor. Eddie warf sich auf Susannah, um sie zu schützen, und spürte einen Hagel von Betontrümmern – glücklicherweise nur winzigen – auf Rücken, Hals und Kopf. Links von ihm ertönten eine Reihe widerlich feuchter Klatschlaute. Er machte die Augen einen Spalt auf, schaute in diese Richtung und sah gerade noch den Kopf des kleinen Lord Fauntleroy, der im Rinnstein zu liegen kam. Der Zwerg hatte die Augen noch aufgeschlagen und den Mund zum letzten Aufschrei geöffnet.
Nun ertönten weitere Stimmen, manche kreischend, manche schreiend, aber alle wütend. Eddie rollte sich von Susannahs Stuhl – der auf einem Rad schwankte, bevor er sich entschloß stehenzubleiben – und sah in die Richtung, aus der der Zwerg gekommen war. Ein zerlumpter Mob von etwa zwanzig Männern und Frauen war aufgetaucht, einige kamen um die Ecke, andere durch die verfilzten Blätterranken, welche die Ecken des Hauses verbargen, wo sie wie böse Geister aus dem Rauch der Granate des Zwergs materialisierten. Die meisten trugen blaue Kopftücher, aber alle waren bewaffnet – eine mannigfaltige (und manchmal erbarmenswerte) Sammlung von Waffen, zu der rostige Schwerter, stumpfe Messer und abgebrochene Keulen gehörten. Eddie sah einen Mann, der trotzig einen Hammer schwang. Pubes, dachte Eddie. Wir haben ihre Krawattenparty gestört, und jetzt haben sie eine Scheißlaune.
Ein Durcheinander von Rufen – Tötet die Grauen! Macht sie beide alle! Sie haben Lüstling abgemurkst, Gott raube ihnen das Augenlicht! – wurde aus dieser bezaubernden Gruppe laut, als sie Susannah im Rollstuhl und Eddie erblickten, der nun auf einem Knie davor kauerte. Der vorderste Mann trug einen kiltartigen Rock und einen Säbel. Diesen schwang er erbittert (und hätte die dicke Frau gleich hinter ihm enthauptet, wenn diese sich nicht geduckt hätte) und griff an. Die anderen folgten und johlten glücklich.
Rolands Revolver ergoß seinen grellen Donner in den verhangenen Tag, und die Schädeldecke des Pube im Kilt hob ab. Die teigige Haut der Frau, die fast von seinem Säbel geköpft worden wäre, wurde plötzlich von einem roten Regen übergossen, worauf sie ihrem Mißfallen bellend Ausdruck verlieh. Die anderen stürmten mit wütend rollenden Augen an der Frau und dem Toten vorbei.
»Eddie!« schrie Susannah und feuerte wieder. Ein Mann mit Seidencape und Kniestiefeln brach auf der Straße zusammen.
Eddie tastete nach der Ruger und dachte einen panischen Augenblick, er hätte sie verloren. Der Griff der Waffe war irgendwie in den Bund seiner Hose gerutscht. Er legte die Hand darum und zog heftig. Das Scheißding kam nicht heraus. Die Kimme am Ende des Laufs hatte sich irgendwie in Eddies Unterwäsche verfangen.
Susannah feuerte rasch nacheinander drei Schuß. Jeder traf sein Ziel, aber die anstürmenden Pubes wurden nicht langsamer.
»Eddie, hilf mir!«
Eddie riß die Hose auf, wobei er sich wie ein Superman-Verschnitt vorkam, und schaffte es endlich, die Ruger herauszuziehen. Er entsicherte mit dem linken Handballen, stützte den Ellbogen oberhalb des Knies auf den Schenkel und fing an zu schießen. Er mußte nicht denken – nicht einmal zielen. Roland hatte ihnen gesagt, daß die Hände eines Revolvermanns im Kampf alleine arbeiteten, und Eddie stellte fest, daß das stimmte. Aber es wäre auf die Entfernung
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