Der Dunkle Turm 3 - Tot
sprechen… und der Dämon hatte gehorcht, mit der Stimme von Allie, der Frau mit der Narbe auf der Stirn, der Frau, der die Bar in Tull gehört hatte. Sei vorsichtig bei dem Drawers, Revolvermann. Solange du mit dem Jungen unterwegs bist, hat der Mann in Schwarz deine Seele in der Tasche.
»Die Drawers?« fragte Susannah verblüfft.
»Ja.« Roland sah sie eindringlich an. »Das sagt dir etwas, richtig?«
»Ja… und nein.«
Sie sprach sehr zögernd. Teilweise lag das, wie Roland wußte, einfach an einem Widerwillen, von Dingen zu sprechen, die schmerzvoll für sie waren. Aber sie glaubte, der Hauptgrund war der, daß sie nicht noch mehr verwirren wollte, was schon verwirrend genug war, indem sie mehr sagte, als sie eigentlich wußte. Das bewunderte er. Er bewunderte sie.
»Sag mir das, was du sicher weißt«, sagte er. »Mehr nicht.«
»Na gut. Die Drawers waren ein Ort, den Detta Walker gekannt hat. Ein Ort, an den Detta Walker gedacht hat. Es war ein Slangausdruck, den sie von den Erwachsenen aufgeschnappt hatte, wenn diese auf der Veranda saßen und Bier tranken und von den alten Zeiten erzählten. Es bedeutet einen Ort, der verdorben ist oder nutzlos, oder beides. Etwas an den Drawers – am Konzept der Drawers – hat Detta angesprochen. Frag mich nicht, was; ich habe es vielleicht einmal gewußt, aber jetzt nicht mehr. Und ich will es auch nicht wissen.
Detta hat meiner Tante Blue einen Porzellanteller gestohlen – den meine Eltern ihr zur Hochzeit geschenkt hatten – und ihn zu den Drawers gebracht – ihren Drawers –, um ihn kaputtzumachen. Bei diesem Ort handelte es sich um eine Kiesgrube voll Müll. Eine Müllhalde. Später hat sie manchmal Jungs in Straßenkneipen aufgerissen.«
Susannah ließ den Kopf sinken und kniff die Lippen fest zusammen. Dann sah sie wieder auf und fuhr fort.
»Weiße Jungs. Und wenn sie sie zu ihren Autos auf dem Parkplatz gebracht haben, hat sie sie aufgegeilt und ist weggelaufen. Diese Parkplätze… sie waren auch ihre Drawers. Es war ein gefährliches Spiel, aber sie war jung genug, schnell genug, daß sie es durchziehen und Spaß daran haben konnte. Später, in New York, hat sie Ladendiebstähle begangen… das wißt ihr. Beide. Immer in den teuren Geschäften – Macy’s, Gimbel’s, Bloomingdale’s –, dort hat sie Trinkkelche gestohlen. Wenn sie beschlossen hatte, sich auf so einen Beutezug zu begeben, dachte sie: Werd’ heute die Drawers besuchen. Werd’n bißchen Mist vonnen Weißen klauen. Werd mir was Besonners klauen und’s dann zerdeppern.«
Sie verstummte mit zitternden Lippen und sah ins Feuer. Als sie sich wieder umdrehte, sahen Roland und Eddie Tränen in ihren Augen.
»Ich weine, aber laßt euch davon nicht täuschen. Ich erinnere mich, daß ich das gemacht habe, und es hat mir Spaß gemacht. Ich glaube, ich weine, weil ich es wieder machen würde, wenn die Umstände entsprechend wären.«
Roland schien einen Teil seiner alten Gelassenheit, seiner unheimlichen Ausgeglichenheit wiedererlangt zu haben. »In meinem Land kennt man ein Sprichwort, Susannah: ›Dem klugen Dieb wird es immer wohl ergehen.‹«
»Ich sehe nichts Kluges daran, eine Handvoll Tinnef zu stehlen«, fauchte sie.
»Bist du je erwischt worden?«
»Nein…«
Er breitete die Arme aus, als wollte er sagen: Da hast du es.
»Demnach waren die Drawers ein böser Ort für Detta Walker?« fragte Eddie. »Ist das richtig? Es scheint nämlich nicht unbedingt richtig zu sein.«
»Gut und schlecht zugleich. Es waren mächtige Orte, an denen sie sich… neu erfinden konnte, so könnte man es wohl ausdrücken… aber sie waren auch verlorene Orte. Und das hat alles nichts mit Rolands Phantomjungen zu tun, oder?«
»Vielleicht nicht«, sagte Roland. »Wir kennen auch Drawers in meiner Welt, weißt du. Auch für uns war es ein Slangausdruck, aber der Sinn ist ziemlich ähnlich.«
»Was hat es für dich und deine Freunde bedeutet?« fragte Eddie.
»Das war von Ort zu Ort und Situation zu Situation verschieden. Es konnte einen Schuttplatz bedeuten. Es konnte ein Hurenhaus sein oder ein Haus, wo Männer zum Spielen oder Teufelsgras kauen hingingen. Aber die gebräuchlichste Verwendung, die ich kenne, ist auch die einfachste.«
Er sah sie beide an. »Die Drawers sind Orte der Einsamkeit«, sagte er. »Die Drawers sind – das wüste Land.«
15
Diesmal warf Susannah mehr Holz ins Feuer. Im Süden leuchtete die Alte Mutter strahlend und ohne zu flimmern. Sie wußte aus
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