Der Dunkle Turm 3 - Tot
schießt, bluten sie höchstens Öl. Ich glaube, bei uns hätte man es einen Cyborg genannt, Roland – ein Wesen, das teils Maschine und teils aus Fleisch und Blut ist. Ich habe einmal einen Film gesehen… wir haben dir doch von Filmen erzählt, oder nicht?«
Roland nickte lächelnd.
»Nun, dieser Film hieß Robocop, und der Typ darin unterschied sich nicht so sehr von dem Bären, den Susannah erschossen hat. Woher hast du gewußt, worauf sie schießen mußte?«
»Daran konnte ich mich noch aus den alten Geschichten erinnern, die Hax erzählt hat«, sagte er. »Wäre nur meine Amme gewesen, Eddie, dann wärst du jetzt im Bauch dieser Bestie. Sagen sie in eurer Welt ratlosen Kindern manchmal, sie sollen ihre Denkerkappe aufsetzen?«
»Ja«, sagte Susannah. »Auf jeden Fall.«
»Das sagt man hier auch, und dieses Sprichwort stammt aus der Legende von den Wächtern. Angeblich hatte jeder ein zusätzliches Gehirn außen auf dem Kopf. In einem Hut.« Er sah sie mit seinen gräßlich gequälten Augen an und lächelte wieder. »Hat nicht gerade wie ein Hut ausgesehen, oder?«
»Nein«, sagte Eddie, »aber die Beschreibung war gut genug, daß sie uns unsere Haut gerettet hat.«
»Ich glaube jetzt, daß ich seit Anbeginn meiner Suche nach einem Wächter gesucht habe«, sagte Roland. »Wenn wir das Portal finden, das dieser Shardik bewacht hat – und das müßte eigentlich möglich sein, indem wir seine Spur zurückverfolgen –, werden wir endlich einen Kurs haben, dem wir folgen können. Wir müssen dem Portal den Rücken zukehren und einfach geradeaus gehen. Im Zentrum des Kreises… der Turm.«
Eddie machte den Mund auf und wollte sagen: Okay, laß uns über diesen Turm sprechen. Laß uns endlich ein für allemal darüber sprechen – was er ist, was er bedeutet und, am wichtigsten, was passiert, wenn wir dort sind. Aber er brachte kein Wort heraus und machte den Mund nach einem Moment wieder zu. Dies war nicht der geeignete Zeitpunkt – wo Roland so offensichtlich Qualen litt. Nicht jetzt, wo lediglich das Leuchten ihres Lagerfeuers die Nacht fernhielt.
»Und damit kommen wir zu dem anderen Teil«, sagte Roland gewichtig. »Ich habe endlich meinen Weg gefunden – nach all den langen Jahren habe ich meinen Weg gefunden –, aber gleichzeitig verliere ich langsam den Verstand. Ich kann spüren, er bröckelt unter meinen Füßen wie eine steile Böschung, die der Regen ausgehöhlt hat. Das ist meine Strafe dafür, daß ich einen Jungen, der nie existiert hat, in den Tod stürzen ließ. Und auch das ist Ka.«
»Wer ist dieser Junge, Roland?« fragte Susannah.
Roland sah Eddie an. »Weißt du es?«
Eddie schüttelte den Kopf.
»Aber ich habe von ihm gesprochen«, sagte Roland. »Ich habe sogar seinetwegen getobt, als die Infektion am schlimmsten und ich dem Tode nahe war.« Die Stimme des Revolvermanns wurde plötzlich eine halbe Oktave höher, und seine Nachahmung von Eddies Stimme war so gut, daß Susannah einen Anflug abergläubischer Furcht empfand. »›Wenn du nicht aufhörst, von diesem verdammten Jungen zu sprechen, Roland, dann kneble ich dich mit deinem eigenen Hemd! Ich habe es satt, dauernd von ihm zu hören!‹ Weißt du noch, wie du das gesagt hast, Eddie?«
Eddie dachte gründlich nach. Der Revolvermann hatte von tausend Dingen gesprochen, während sie beide den mühsamen Weg von der Tür mit der Aufschrift DER GEFANGENE zu der Tür mit der Aufschrift DIE HERRIN DER SCHATTEN zurückgelegt hatten, und er hatte in seinen Fiebermonologen schätzungsweise tausend Namen erwähnt – Alain, Cort, Jamie de Curry, Cuthbert (den häufiger als alle anderen), Hax, Martin (oder vielleicht Marien, wie der Vogel), Walter, Susan, sogar einen Typen mit dem ungewöhnlichen Namen Zoltan. Eddie hatte es gründlich satt gehabt, von diesen Leuten zu hören, die er nie kennengelernt hatte (und auch nie kennenlernen wollte), aber natürlich hatte Eddie zu der Zeit seine eigenen Probleme gehabt, von denen Heroinentzug und die Folgen einer kosmischen Zeitverschiebung nur zwei gewesen waren. Und wenn er fair sein wollte, dann vermutete er, daß Roland Eddies eigene bruchstückhafte Märchen, wie er und Henry gemeinsam aufgewachsen und gemeinsam Junkies geworden waren, sicher ebenso satt gehabt hatte wie Eddie die von Roland.
Aber er konnte sich nicht erinnern, daß er Roland jemals gesagt hatte, er würde ihn mit seinem eigenen Hemd knebeln, wenn er nicht aufhörte, von einem bestimmten Jungen zu sprechen.
»Fällt
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