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Der Dunkle Turm 3 - Tot

Titel: Der Dunkle Turm 3 - Tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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und hob ihn auf. Als er das tat, schien der Chor zu seufzen und anzuschwellen, dann sank er zu einem fast unhörbaren Flüstern herab.
    »Also war auch der Teil wirklich«, murmelte er und strich mit der Daumenkuppe über die stumpfen Zähne des Schlüssels und in die primitiven, V-förmigen Vertiefungen. Er ließ ihn über die S-Kurve am Ende des dritten Zahns gleiten. Dann steckte er ihn tief in die rechte vordere Hosentasche und hinkte zu dem Bretterzaun zurück.
    Er hatte ihn erreicht und wollte gerade darüber klettern, als ihm ein schrecklicher Gedanke plötzlich in den Sinn kam.
    Die Rose! Was ist, wenn jemand hierherkommt und sie pflückt?
    Aber da meldete sich eine Stimme in seinem Kopf zu Wort; ganz eindeutig die Stimme des Mannes, welchen er in dem seltsamen anderen Leben in dem Rasthaus getroffen hatte. Niemand wird sie pflücken. Und kein Vandale wird sie unter seinem Absatz zertreten, weil seine stumpfen Augen den Anblick ihrer Schönheit nicht ertragen können. Darin besteht die Gefahr nicht. Sie kann sich selbst vor derlei Dingen beschützen.
    Ein Gefühl großer Erleichterung kam über Jake.
    Kann ich wieder hierherkommen und sie ansehen? fragte er die Phantomstimme. Wenn ich niedergeschlagen bin oder die Stimmen zurückkehren und wieder zu streiten anfangen? Kann ich zurückkommen und sie ansehen und etwas Frieden finden?
    Die Stimme antwortete nicht, und nach einigen Augenblicken des Lauschens entschied Jake, daß sie fort war. Er steckte Charlie Tschuff-Tschuff und Ringelrätselreihen in den Bund seiner Hose – die, wie er jetzt sah, schmutzig und voller Kletten war –, dann hielt er sich am Bretterzaun fest. Er zog sich hoch, schwang sich darüber, sprang wieder auf den Gehweg der Second Avenue und achtete sorgfältig darauf, daß er auf seinem guten Fuß landete.
    Der Verkehr auf der Avenue – Fußgänger und Autos – war jetzt viel dichter, da die Leute von der Arbeit nach Hause gingen. Einige Passanten betrachteten den schmutzigen Jungen im zerrissenen Blazer und dem heraushängenden, flatternden Hemd, als dieser linkisch vom Zaun heruntersprang, aber nicht viele. New Yorker sind an den Anblick von Leuten gewöhnt, die ein merkwürdiges Verhalten an den Tag legen.
    Er blieb einen Moment stehen, verspürte ein Gefühl des Verlustes und stellte noch etwas fest – die widerstreitenden Stimmen waren immer noch abwesend. Das war immerhin etwas.
    Er betrachtete den Bretterzaun, und der aufgesprühte Vers schien ihm förmlich entgegenzuspringen – vielleicht weil die Farbe denselben Ton wie die Rose aufwies.
    »Sieh der SCHILDKRÖTE strahlende Pracht«, murmelte Jake. »Auf deren Rücken die Welt gemacht.« Er erschauerte. »Was für ein Tag. O Mann!«
    Er drehte sich um und hinkte langsam in Richtung Zuhause zurück.
     
     
    19
     
    Der Türsteher mußte hinauftelefoniert haben, sobald Jake die Halle betreten hatte, denn sein Vater stand schon vor dem Fahrstuhl, als dieser im fünften Stock hielt. Elmer Chambers trug verwaschene Jeans und Cowboystiefel, die aus seinen eins fünfundachtzig einen Meter neunzig machten. Das schwarze Haar stand senkrecht zu einem Bürstenschnitt hoch; soweit Jake sich erinnern konnte, hatte sein Vater immer wie ein Mann ausgesehen, der gerade einen tüchtigen Elektroschock abbekommen hatte. Kaum war Jake aus dem Fahrstuhl getreten, packte Chambers ihn am Arm.
    »Schau dich bloß an!« Der Blick seines Vaters wanderte über ihn und nahm Jakes schmutziges Gesicht und Hände, das Blut, das auf Schläfen und Wangen trocknete, die staubigen Hosen, den zerrissenen Blazer und die Kletten in sich auf, die wie eine seltsame Nadel an Jakes Krawatte hafteten. »Komm sofort rein! Wo bist du gewesen? Deine Mutter ist völlig außer sich!«
    Ohne Jake eine Möglichkeit zur Antwort zu geben, zerrte er ihn durch die Tür der Wohnung. Jake sah Greta Shaw unter dem Bogen zwischen Eßzimmer und Küche stehen. Sie warf ihm einen Blick zurückhaltenden Mitgefühls zu, dann verschwand sie, bevor die Augen des »Herrn« auf sie fielen.
    Jakes Mutter saß im Schaukelstuhl. Sie stand auf, als sie Jake sah, aber sie sprang nicht auf; sie kam auch nicht durch die Diele gelaufen, damit sie ihn mit Küssen und Liebkosungen überhäufen konnte. Als sie auf ihn zukam, sah Jake ihr in die Augen und schätzte, daß sie seit Mittag mindestens drei Valium genommen hatte. Vielleicht vier. Seine Eltern glaubten beide, daß sich durch Chemikalien ein besseres Leben erreichen ließ.
    »Du blutest! Wo

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