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Der Dunkle Turm 3 - Tot

Titel: Der Dunkle Turm 3 - Tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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Autoritätsgestalt sind – möglicherweise Dein Vater? Diese Möglichkeit hat mich so fasziniert, daß ich seinen Namen in Deiner Akte nachgeschlagen habe. Ich habe festgestellt, daß er Elmer heißt, aber mir ist nicht entgangen, daß er die Initiale R im Namen führt. Das fand ich außerordentlich provokativ. Oder ist dieser Name ein doppeltes Symbol, das sich von Deinem Vater ableitet und Robert Brownings Gedicht ›Childe Roland to the Dark Tower Came?‹ Diese Frage würde ich nicht vielen Schülern stellen, aber ich weiß ja, wie groß Dein Lesehunger ist.
    Wie dem auch sei, ich bin überaus beeindruckt. Jüngere Schüler sind nicht selten fasziniert von der literarischen Technik des ›inneren Monologs‹, aber meistens außerstande, sie zu meistern. Du hast den IM auf eindrucksvolle Weise mit symbolistischer Sprache verbunden.
    Bravo!
    Komm vorbei, sobald Du wieder ›gut drauf‹ bist – ich möchte mich über eine mögliche Veröffentlichung des Texts in der ersten Ausgabe der Schülerzeitung im nächsten Jahr unterhalten.
     
    B. Avery
     
    PS: Wenn Du die Schule heute verlassen hast, weil Dir plötzlich Zweifel gekommen sind, ob ich eine Abschlußarbeit von so unerwarteter Reife auch verstehen würde, so hoffe ich, ich habe sie hiermit ausräumen können.
     
    Jake zog das Blatt aus der Büroklammer und legte damit Seite eins seines erstaunlich originellen und reifen, symbolistischen Abschlußaufsatzes frei. Darauf hatte Ms. Avery mit ihrem roten Füller die Note 1+ geschrieben und eingekreist. Darunter hatte sie geschrieben: HERVORRAGENDE ARBEIT!
    Jake fing an zu lachen.
    Der ganze Tag – der lange, beängstigende, verwirrende, aufregende, schreckliche, geheimnisvolle Tag – ging mit lauten, brüllenden Lachsalven zu Ende. Er sank auf den Stuhl, legte den Kopf zurück und lachte sich heiser. Er hörte fast auf, dann fiel ihm eine Zeile von Ms. Averys wohlmeinender Kritik ins Auge, und er prustete wieder los. Er sah nicht, wie sein Vater zur Tür kam und ihn mit verwirrten, fragenden Augen ansah und dann kopfschüttelnd wieder ging.
    Schließlich stellte er fest, daß Mrs. Shaw noch auf dem Bett saß und ihn mit einer Mischung aus freundlicher Unbefangenheit und gelinder Neugier ansah. Er wollte etwas sagen, aber bevor er es konnte, übermannte ihn wieder das Gelächter.
    Ich muß aufhören, dachte er. Ich muß aufhören, sonst bringt es mich um. Ich erleide einen Herzanfall oder so etwas…
    Dann dachte er: Ich frage mich, was sie in das »Tschuff-tschuff, tschuff-tschuff« hineininterpretiert hat? und fing wieder an, brüllend zu lachen.
    Schließlich gingen die Lachsalven in Kichern über. Er strich sich mit dem Arm über die tränenden Augen und sagte: »Tut mir leid, Mrs. Shaw – es ist nur… nun… ich habe eine Eins plus für meinen Abschlußaufsatz bekommen. Er war sehr… sehr reif… und sehr sym… sym…«
    Aber er konnte nicht zu Ende sprechen. Er wurde wieder von Gelächter geschüttelt und hielt sich den schmerzenden Bauch.
    Mrs. Shaw stand lächelnd auf. »Das ist sehr schön, John. Ich bin froh, daß sich alles zum Guten gewendet hat, und ich bin sicher, deine Eltern auch. Ich bin schrecklich spät dran – ich glaube, ich werde mir vom Portier ein Taxi rufen lassen. Gute Nacht, und schlaf gut.«
    »Gute Nacht, Mrs. Shaw«, sagte Jake, der sich mühsam beherrschte. »Danke.«
    Kaum war sie gegangen, fing er wieder an zu lachen.
     
     
    21
     
    Im Verlauf der folgenden halben Stunde bekam er nacheinander Besuch von seinen beiden Eltern. Sie hatten sich tatsächlich wieder beruhigt, und die 1+ für Jakes Abschlußaufsatz schien sie noch mehr zu beruhigen. Jake empfing sie mit offen auf dem Schreibtisch liegendem Französischbuch, aber er hatte eigentlich keinen Blick hineingeworfen und hatte auch nicht die Absicht. Er wartete nur darauf, daß sie sich verzogen, damit er in Ruhe die beiden Bücher schmökern konnte, die er tagsüber gekauft hatte. Da war so eine Ahnung, als würde die richtige Abschlußprüfung noch irgendwo jenseits des Horizonts warten, und er wollte sie wirklich bestehen.
    Sein Vater steckte gegen Viertel vor zehn den Kopf zu Jakes Tür herein, etwa zwanzig Minuten nach dem kurzen, vagen Besuch von Jakes Mutter. Elmer Chambers hielt eine Zigarette in der einen und ein Glas Scotch in der anderen Hand. Er wirkte jetzt nicht nur ruhiger, sondern beinahe angetörnt. Jake fragte sich kurz und gleichgültig, ob er sich über den Valiumvorrat von Jakes Mutter hergemacht

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