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Der Dunkle Turm 3 - Tot

Titel: Der Dunkle Turm 3 - Tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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hatte.
    »Alles in Ordnung, Junge?«
    »Ja.« Er war wieder der kleine, ordentliche Junge, der sich immer vollkommen unter Kontrolle hatte. Die Augen, mit denen er seinen Vater ansah, blitzten nicht, sondern waren milchig.
    »Ich wollte nur sagen, daß mir das von vorhin leid tut.« Sein Vater entschuldigte sich nicht oft, und es gelang ihm nicht besonders gut. Jake stellte fest, daß er ihm ein wenig leid tat.
    »Schon gut.«
    »Schwerer Tag«, sagte sein Vater. Er gestikulierte mit dem leeren Glas. »Warum vergessen wir nicht einfach, was passiert ist?« Er sagte es, als wäre ihm dieser großartige und logische Einfall gerade eben erst gekommen.
    »Hab’ ich schon.«
    »Gut.« Sein Vater hörte sich erleichtert an. »Wird Zeit, daß du ein bißchen schläfst, oder nicht? Du mußt morgen ein paar Erklärungen abgeben und ein paar Prüfungsarbeiten schreiben.«
    »Sieht so aus«, sagte Jake. »Ist mit Mom alles in Ordnung?«
    »Prima. Prima. Ich geh jetzt ins Arbeitszimmer. Jede Menge Papierkram heute abend.«
    »Dad?«
    Sein Vater sah ihn abwartend an.
    »Wie lautet dein zweiter Vorname?«
    Etwas am Gesichtsausdruck seines Vaters verriet ihm, daß er sich den Abschlußaufsatz zwar angesehen, aber weder ihn selbst noch die Bemerkungen von Ms. Avery gelesen hatte.
    »Ich habe keinen«, sagte er. »Nur eine Initiale, wie Harry S. Truman. Nur ist meine ein R. Wie kommst du darauf?«
    »Nur neugierig«, sagte Jake.
    Es gelang ihm, die Fassung zu wahren, bis sein Vater gegangen war… aber kaum war die Tür ins Schloß gefallen, lief er zum Bett, vergrub das Gesicht im Kissen und erstickte eine neuerliche zügellose Lachsalve.
     
     
    22
     
    Als er sicher war, daß er den Anfall überwunden hatte (auch wenn sich noch ab und zu ein leises Kichern den Hals heraufstahl) und sein Vater sicher mit Zigaretten, Scotch, Papieren und seiner kleinen Flasche weißen Pulvers im Arbeitszimmer sein würde, begab sich Jake an den Schreibtisch zurück, schaltete die Leseleuchte ein und schlug Charlie Tschuff-Tschuff auf. Er warf einen flüchtigen Blick aufs Impressum und stellte fest, daß das Buch erstmals 1952 veröffentlicht worden war; sein Exemplar stammte aus der vierten Auflage. Er sah auf die hintere Klappe, fand aber keinerlei Informationen über die Autorin Beryl Evans.
    Jake blätterte wieder zum Anfang, betrachtete das Bild eines grinsenden, blonden Mannes, der in der Kabine einer Dampflokomotive saß, wunderte sich über das stolze Grinsen des Mannes und fing an zu lesen.
    Bob Brooks war Lokführer der Eisenbahngesellschaft von Mittwelt auf der Strecke St. Louis-Topeka. Lokführer Bob war der beste Zugfahrer, den die Eisenbahngesellschaft von Mittwelt jemals gehabt hatte, und Charlie war der beste Zug!
    Charlie war eine Dampflokomotive 402 Big Boy, und Lokführer Bob war der einzig Mann, der je die Erlaubnis bekommen hatte, auf dem Fahrersitz zu sitzen und die Pfeife zu ziehen. Jeder kannte das HUUUU-UUUU von Charlies Pfeife, und jedesmal, wenn die Leute hörten, wie es über das flache Land von Kansas hallte, sagten sie: »Da kommen Charlie und Lokführer Bob, das schnellste Team zwischen St. Louis und Topeka!« Jungen und Mädchen liefen in die Gärten, wo sie Charlie und Lokführer Bob vorbeifahren sehen konnten. Lokführer Bob lächelte und winkte. Die Kinder lächelten und winkten zurück.
    Lokführer Bob hatte ein besonderes Geheimnis. Er war der einzige, der wußte, daß Charlie Tschuff-Tschuff wirklich, wirklich lebendig war. Eines Tages, als sie die Strecke zwischen Topeka und St. Louis fuhren, hörte Lokführer Bob ein leises, tiefes Singen.
    »Wer ist da bei mir in der Kabine?« fragte Lokführer Bob streng.
     
    »Du müßtest mal zu einem Seelenklempner, Lokführer Bob«, murmelte Jake und blätterte die Seite um. Da war ein Bild von Lokführer Bob, der sich bückte, um unter den automatischen Heizkasten von Charlie Tschuff-Tschuff zu sehen. Jake fragte sich, wer den Zug fuhr und nach Kühen (ganz zu schweigen von Jungen und Mädchen) auf den Gleisen Ausschau hielt, während Bob nach blinden Passagieren suchte, und dachte sich, daß Beryl Evans nicht viel über Züge gewußt haben konnte.
    »Keine Bange«, sagte eine leise, brummige Stimme. »Das bin nur ich.«
    »Wer ist ich?« fragte Lokführer Bob. Er sagte es mit seiner lautesten, strengsten Stimme, weil er immer noch glaubte, daß ihm jemand einen Streich spielte.
    »Charlie«, sagte die leise, brummige Stimme.
    »Ho-ho, har-har!« sagte Lokführer Bob.

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