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Der Dunkle Turm 3 - Tot

Titel: Der Dunkle Turm 3 - Tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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gemacht, aber nicht heute abend.
    Heute abend schien nur die Rose wichtig zu sein.
    Er biß in das zweite Sandwich. Mrs. Shaw hatte die Tür offengelassen; er konnte hören, wie sie mit seinen Eltern redete. Beide hörten sich inzwischen ein wenig ruhiger an. Jake trank den Kakao, dann nahm er den Teller mit dem Apfelkuchen darauf. Wenige Augenblicke später kam Mrs. Shaw zurück. Sie trug einen nur allzu vertrauten blauen Ordner bei sich.
    Jake mußte feststellen, daß doch nicht alles Grauen von ihm gewichen war. Inzwischen würden sie es natürlich alle wissen, Schüler und Lehrkörper gleichermaßen, und es war zu spät, etwas dagegen zu tun, aber das bedeutete nicht, ihm gefiel, daß sie nun wußten: Er hatte nicht mehr alle Tassen im Schrank. Daß sie über ihn redeten.
    Ein kleines Couvert war an den Ordner geheftet worden. Jake riß es weg und sah zu Mrs. Shaw auf, während er es öffnete. »Wie geht es meinen Leuten jetzt?« fragte er.
    Sie gestattete sich ein kurzes Lächeln. »Dein Vater wollte wissen, warum du ihm nicht einfach gesagt hast, daß du an Prüfungsangst leidest. Er sagte, als Junge hatte er es selbst ein- oder zweimal.«
    Das machte Jake echt fertig; sein Vater hatte nie zu den Männern gehört, die sich Reminiszenzen hingaben, welche mit den Worten begannen: Weißt du, als ich noch ein Kind war… Jake versuchte sich seinen Vater als Jungen mit schlimmer Prüfungsangst vorzustellen, mußte aber feststellen, daß es ihm nicht gelang – er brachte lediglich das Bild eines häßlichen, pickligen Zwergs im T-Shirt von Piper zuwege, eines Zwergs, dessen schwarzes Haar senkrecht vom Kopf in die Höhe stand.
    Der Brief war von Mr. Bissette.
     
    Lieber John,
    Bonnie Avery hat mir gesagt, daß Du früher weggegangen bist. Sie macht sich große Sorgen um Dich und ich ebenfalls, obwohl wir beide so etwas schon erlebt haben, besonders in der Woche der Abschlußprüfungen. Bitte komm morgen früh gleich als allererstes bei mir vorbei, okay? Falls Du Probleme hast, können wir sie sicher aus der Welt schaffen. Wenn Du wegen der Prüfung unter Druck stehst – und ich wiederhole, das kommt häufig vor –, kann eine Verschiebung vereinbart werden. Unsere größte Sorge gilt Deinem Wohlbefinden. Ruf mich heute abend an, wenn Du möchtest; Du erreichst mich unter 555-7661. Ich werde bis Mitternacht auf sein.
    Vergiß nicht, wir haben Dich alle sehr gern und sind auf Deiner Seite.
    A votre sante,
    H. Bissette
     
    Jake war zum Weinen zumute. Die Besorgnis war ausgesprochen, und das war schön, aber der Brief enthielt auch andere Dinge, unausgesprochene Dinge – Güte, Verständnis und das Bemühen (wenn auch irregeleitet), zu verstehen und zu trösten.
    Mr. Bissette hatte am unteren Rand des Briefes einen kleinen Pfeil gemalt. Jake drehte das Blatt Papier herum und las:
    Übrigens hat Bonnie mich gebeten, Dir das hier mitzuschicken – meinen Glückwunsch!
    Glückwunsch? Um Himmels willen, was hatte das zu bedeuten?
    Er schlug den blauen Ordner auf. An die erste Seite seines Abschlußaufsatzes war ein Blatt Papier geheftet. BONITA AVERY stand im Briefkopf, und Jake las die eckigen, mit Füller geschriebenen Zeilen mit zunehmendem Erstaunen.
     
    John,
    Harvey wird zweifellos der Besorgnis Ausdruck verleihen, die wir alle empfinden – darin ist er ausgezeichnet –, daher möchte ich mich auf Deine Abschlußarbeit beschränken, die ich in meiner Freistunde gelesen und zensiert habe. Sie war verblüffend originell und jedem Abschlußaufsatz überlegen, den ich in den vergangen Jahren gelesen habe. Dein Einsatz bekräftigender Wiederholungen (›… und das ist die Wahrheit‹) ist begnadet, aber selbstverständlich ist bekräftigende Wiederholung nur ein Trick. Der wahre Wert Deiner Arbeit liegt in ihrer symbolistischen Eigenschaft, die zuerst von den Bildern eines Zugs und einer Tür auf dem Deckblatt bekundet und im Text dann vorzüglich fortgesetzt wird. Das erreicht seinen logischen Höhepunkt mit dem Bildnis des ›schwarzen Turms‹, den ich als Deine Aussage nehme, daß herkömmliche Ambitionen nicht nur falsch, sondern gefährlich sind.
    Ich will nicht so tun, als verstünde ich die ganze Symbolik (z. B. ›Herrin der Schatten‹, ›Revolvermann‹), aber es scheint deutlich, daß du selbst der ›Gefangene‹ bist (der Schule, der Gesellschaft usw.) und das Bildungssystem der ›sprechende Dämon‹. Ist es möglich, daß sowohl ›Roland‹ wie auch der›Revolvermann‹ ein und dieselbe

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