Der Dunkle Turm 3 - Tot
glücklicher Kinder von der Achterbahn zum Riesenrad zog. Lokführer Bob saß in der Kabine, zog an der Pfeifenschnur und sah so glücklich aus wie ein Schwein in der Scheiße. Jake vermutete, das Lächeln von Ingenieur Bob sollte übergroßes Glück vermitteln, aber er fand, es glich dem Grinsen eines Irren… und je länger Jake die Kinder betrachtete, desto mehr fand er, daß ihre Gesichter wie Grimassen des Entsetzens aussahen. Laßt uns von diesem Zug herunter, schienen ihre Gesichter zu sagen. Bitte laßt uns lebend von diesem Zug herunter.
Und als glücklicher Tschuff-tschuff-Zug brausen, bis ich einst sterben muß.
Jake schlug das Buch zu und betrachtete es nachdenklich. Dann schlug er es wieder auf, blätterte die Seiten durch und strich bestimmte Worte und Ausdrücke an, die ihn besonders ansprachen.
Die Eisenbahngesellschaft von Mittwelt… Lokführer Bob… eine leise, brummige Stimme… HUU-UUU… der erste richtige Freund, seit seine Frau vor Jahren in New York gestorben war… Mr. Martin… die Welt hat sich weitergedreht… Susannah…
Er legte den Kugelschreiber weg. Warum sprachen ihn diese Worte und Ausdrücke an? Das mit New York schien auf der Hand zu liegen, aber was war mit den anderen? Und überhaupt, warum dieses Buch? Daß er es hatte kaufen sollen, stand außer Frage. Hätte er kein Geld in der Tasche gehabt, er war sicher, er hätte es einfach geschnappt und wäre aus dem Geschäft gelaufen. Aber warum? Er kam sich vor wie eine Kompaßnadel. Die Nadel weiß nichts vom magnetischen Nordpol; sie weiß nur, daß sie in eine bestimmte Richtung zeigen muß, ob es ihr gefällt oder nicht.
Jake wußte nur eines mit Sicherheit, nämlich daß er sehr, sehr müde war, und wenn er nicht bald ins Bett kroch, würde er am Schreibtisch einschlafen. Er zog das Hemd aus, dann betrachtete er wieder den Einband von Charlie Tschuff-Tschuff.
Dieses Lächeln. Er traute diesem Lächeln einfach nicht.
Kein bißchen.
23
Der Schlaf stellte sich nicht so schnell ein, wie Jake gehofft hatte. Die Stimmen fingen wieder an, sich zu streiten, ob er am Leben oder tot wäre, und hielten ihn wach. Schließlich richtete er sich im Bett auf, ließ die Augen geschlossen und drückte die zu Fäusten geballten Hände an die Schläfen.
Hört auf! schrie er ihnen zu. Hört doch endlich auf! Ihr wart den ganzen Tag still, seid auch jetzt still!
Würde ich, wenn er nur zugeben würde, daß ich tot bin, sagte eine der Stimmen verdrossen.
Würde ich, wenn er sich um Himmels willen nur einmal umsehen und zugeben würde, daß ich eindeutig lebe, fauchte die andere Stimme zurück.
Er würde gleich anfangen, laut zu schreien. Er konnte es nicht verhindern; er konnte spüren, es stieg wie Erbrochenes in seinem Hals empor. Er schlug die Augen auf, sah die Hose über dem Schreibtischstuhl hängen und hatte eine Idee. Er stand auf, ging zum Stuhl und tastete in der rechten Hosentasche.
Der silberne Schlüssel war noch da, und in dem Augenblick, als er ihn mit den Fingern berührte, verstummten die Stimmen.
Sag ihm, dachte er, ohne zu wissen, an wen der Gedanke gerichtet war. Sag ihm, er soll den Schlüssel festhalten. Der Schlüssel bringt die Stimmen zum Schweigen.
Er ging zum Bett zurück und schlief mit dem Schlüssel in der Hand ein, als sein Kopf noch keine drei Minuten das Kissen berührt hatte.
III.
Tür und Dämon
1
Eddie war fast eingeschlafen, als ihm eine Stimme deutlich ins Ohr flüsterte: Sag ihm, er soll den Schlüssel festhalten. Der Schlüssel bringt die Stimmen zum Schweigen.
Er fuhr kerzengerade in die Höhe und sah sich panisch um. Susannah lag tief schlafend neben ihm; ihre Stimme war es nicht gewesen.
Und auch nicht die eines anderen, schien es. Sie waren jetzt seit acht Tagen auf dem Pfad des Balkens durch den Wald unterwegs und hatten ihr Lager heute abend in der tiefen Kluft eines Talkessels aufgeschlagen. Ganz in der Nähe links rauschte ein Bach tosend vorbei, der in dieselbe Richtung strömte, in die sie unterwegs waren: Südosten. Rechts stieg das Land steil an. Es waren keine Eindringlinge hier, nur Susannah, die schlief, und Roland, der wachte. Dieser saß zusammengekauert unter seiner Decke am Ufer des Baches und sah in die Dunkelheit hinaus.
Sag ihm, er soll den Schlüssel festhalten. Der Schlüssel bringt die Stimmen zum Schweigen.
Eddie zögerte einen Augenblick. Rolands geistige Gesundheit stand auf der Kippe, neigte sich langsam zur schlechteren Seite, und das
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